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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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woran all diese Menschen sich erinnerten – welches Gespräch, welcher Streit, welcher kleine Vorfall ließ sie an die Toten denken? Oder dachten sie daran, ob sie den Herd angelassen hatten, überlegten, was sie zu dem Konzert heute abend anziehen sollten, fragten sich, ob vielleicht Schuppen auf ihren dunkel bekleideten Schultern sichtbar waren? Wer hatte Finn nahegestanden – wer waren die alten Freunde der Familie, die sie während ihrer ganzen Kinderjahre gekannt hatten, die sie hatten leiden sehen, die miterlebt hatten, wie sie zu einer hübschen jungen Frau heranwuchs, wie aus dem häßlichen Entlein ein anmutiger Schwan wurde? Wer waren die entfernten Bekannten, die nur aus Sensationslust gekommen waren?
    »Vater unser«, intonierte der Vikar.
    »Der Du bist im Himmel«, setzten wir gehorsam fort.
    »Geheiligt werde Dein Name …« Und die Putzfrau, wie auch immer sie hieß, schluchzte weiter.

    Ferrer, so war ihr Name. Sie blieb zurück, als sich die Menschen durch das Kirchenschiff nach draußen schoben. Ich bewegte mich gegen den Strom auf sie zu. Sie war kaum zu sehen, hockte geduckt zwischen zwei Bankreihen. Ich kam näher und sah, daß sie Dinge vom Boden aufhob und in ihre Tasche steckte. Sie schickte sich an, ihren Mantel anzuziehen, und stieß dabei ihre Tasche wieder um.
    »Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte ich, bückte mich und tastete unter den Bänken nach Schlüsseln und einer Geldbörse, nach Münzen und gefalteten Zetteln, die herausgefallen waren.
    »Kommen Sie mit nach nebenan?« Ich sah ihr Gesicht aus der Nähe, die Haut war blaß, die Augen waren geschwollen vom Weinen. »Nebenan?«
    Jemand tippte mir auf den Rücken. Ich drehte mich um und sah Detective Baird. Er nickte mir lächelnd zu, dann besann er sich und schaute finster drein.
    »Sie kennen Mrs. Ferrer schon«, sagte er.
    »Hat irgend jemand irgend etwas für diese Frau getan?« fragte ich.
    Baird zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht, sie geht in ein paar Tagen nach Spanien zurück.«
    »Wie geht es Ihnen?« fragte ich die Frau. Sie antwortete nicht.
    »Es ist schon gut«, sagte Baird mit der lauten, langsamen Stimme, die Engländer benutzen, wenn sie mit Ausländern reden. »Das ist Dr. Laschen. Sie ist Ärztin.« Mrs. Ferrer sah ängstlich und abwesend aus.
    »Ähm … , Doctoray, Medico.«
    Mrs.
    Ferrer ignorierte mich und begann schnell und unzusammenhängend auf Baird einzureden. Sie hatte Sachen für das kleine Mädchen. Wo war es? Sie wollte nach Hause gehen und Miss Mackenzie Sachen bringen. Ihr auf Wiedersehen sagen. Sie mußte sich verabschieden, konnte nicht gehen, ehe sie sie gesehen hatte. Baird schaute nervös zu mir.
    »Nun, Mrs. Ferrer, wenn Sie mir die Sachen geben, dann werde ich dafür sorgen …« Er sah mich an und nickte, mich auf diese Weise verabschiedend. »Keine Sorge, Doktor, ich bringe sie nach drüben.«

    »Sie sehen aus, als würden Sie Bridge spielen. Helfen Sie uns aus?«
    Zwei Frauen – eine mit kräftigem braunen Haar und einer stark ausgeprägten Nase, die andere kleiner, mit makellosem weißen Haar unter einem winzigen schwarzen Hut – zogen mich ins Gespräch. Als ich ungefähr dreizehn war, hatte meine Mutter mich gezwungen, dem Bridgeclub der Schule beizutreten; das sollte Teil meiner aufstiegsorientierten gesellschaftlichen Erziehung sein. Ich hatte etwa zwei Wochen durchgehalten, genug, um zu lernen, wie man die Punkte der Court-Karten zählt, aber das war alles.
    »Wenn ich mit zwei Nichttrümpfen eröffne, was bedeutet das dann für Sie, eh?«
    »Trümpfe«, sagte ich ernst. »Sind das die schwarzen Karten oder die roten?«
    Ihre Gesichter wurden lang, und ich zog mich zurück, die Teetasse in der Hand, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. Drüben auf der anderen Seite der Halle sah ich Michael in ein Gespräch mit einem kahl werdenden Mann vertieft. Ich fragte mich, wer das alles arrangiert hatte – den Saal gemietet, die Sandwiches gemacht, den großen Teekessel bestellt. Doch plötzlich erregte etwas meine Aufmerksamkeit.
    »Ich hatte gehofft, Fiona zu sehen, das arme Kind. Hat irgend jemand mit ihr gesprochen?«
    Ich blieb stehen und trank aus meiner leeren Tasse.
    »Nein«, kam die Antwort, »ich glaube nicht. Ich habe gehört, sie wäre ins Ausland geschickt worden, damit sie sich erholt. Ich glaube, sie haben Verwandte in Kanada oder sonstwo.«
    »Ich habe gehört, sie wäre noch im Krankenhaus oder in einem Pflegeheim. Sie wäre fast gestorben, wissen

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