Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
Erfahrung einen Mann wie Wade zu durchschauen.«
»Danke für Ihre Anteilnahme, Mylord. Ich weiß das zu schätzen, zumal mein Vater nicht anwesend ist.«
»Grüßen Sie den Professor von mir«, sagte er. Dann verbeugte er sich vor ihr und ging davon.
Susanna nahm sich ein weiteres Glas Champagner, als ein Diener mit einem vollen Tablett an ihr vorbeiging. Ihr war warm und bereits ein bisschen schwindelig vom Alkohol, aber es war ihr egal. Lord Greenwichs Worte beunruhigten sie mehr, als sie wahrhaben wollte. Zwar war es nichts grundstürzend Neues gewesen, aber er hatte sich nicht bloß auf Gerüchte gestützt, sondern von einem konkreten Fall berichtet. Das ließ sich nicht so ohne Weiteres beiseitewischen. Hatte Mr Wade sie also angelogen, als er behauptete, er würde sich nicht an Debütantinnen vergreifen? Oder war die bewusste Frau bereits älter gewesen und hatte gewusst, worauf sie sich einließ? Dann traf ihn zumindest nicht die alleinige Schuld. Sie sah, wie er gerade Miss Norton mit seinem verruchten Lächeln bedachte. Bei ihr mochte das wirken, nicht aber bei ihr selbst. Susanna würde ihm ihre eigenen Spielregeln aufzwingen – sie freute sich schon darauf.
Sie drehte sich um und ging zum Fenster. Es war Vollmond, und nur ein einsames Wölkchen zog gerade am Rand des hellen Runds vorbei.
»Susanna?«
Sie drehte sich mit einem Lächeln zu Caroline um.
»Du bist heute ja sehr gefragt.«
Nachdenklich lehnte Susanna sich mit der Schulter an den Fensterrahmen. »Ja, das ist ein völlig ungewohntes Gefühl. Und ein unglaublicher Aufstieg. Dabei habe ich mich als Mauerblümchen eigentlich immer recht wohlgefühlt.«
»Das hast du zumindest immer behauptet. Was hat sich geändert?«
»Ich habe meinem Bruder versprochen, mich nicht mehr grundsätzlich gegen eine Ehe zu sträuben und offener für eventuelle Bewerber zu sein«, erklärte sie leise und nahm wieder einen Schluck aus ihrem Glas. »Oh, er besteht nicht darauf – er will, dass ich glücklich bin. Außerdem würde ich sowieso meinem Bruder nicht widerspruchslos gehorchen.«
Caroline lachte auf.
Mit einem kläglichen Lächeln gestand Susanna: »Aber ich tue mich schwer. Sich so zu geben, wie ein Mann es erwartet, ist nicht einfach. Vermutlich bin ich schon zu alt, mich problemlos anzupassen.«
»Ich glaube, das geht den meisten so«, meinte die Jüngere tröstend.
»Eines Tages möchte ich mich nur noch meiner Kunst widmen und über nichts anderes nachdenken als über Licht und Schatten und wie ich das, was ich empfinde, am besten darstellen kann.«
»Schön gesagt«, murmelte Caroline und betrachtete sie nachdenklich. Dann spähte sie vorsichtig zu ihren Eltern hinüber, die sich gerade mit den Randolphs unterhielten, und flüsterte leise: »Wie wäre es mit heute Abend?«
Susanna richtete sich auf. »Was meinst du damit?«
»Du hast gesagt, du wolltest mit uns einmal eine Nachtszene einfangen. Warum nicht heute Abend?« Sie führte ihr Glas mit Champagner an die Lippen und bekam einen Schluckauf. Kichernd legte sie eine Hand vor den Mund.
»Du meinst, du und ich sollten uns davonschleichen?«
»Nein, nein, wir warten, bis alle im Bett sind, und dann treffen wir uns, du, ich und der Rest der Mädchen. Wo wollen wir hingehen?«
Die Vorstellung, etwas so Gewagtes zu tun, reizte Susanna. »Auf die Galerie mit den Statuen! Die hohen Fenster lassen den Mondschein herein, dazu nehmen wir Kerzen mit, und in diesem Licht zeichnen wir dann die Marmorskulpturen.«
»Als würden wir Menschen zeichnen«, hauchte Caroline. »Ich habe immer das Gefühl, dass es … aufdringlich ist, richtige Menschen zu malen. Und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich jemand fühlt, der einem Künstler unbekleidet Modell sitzt.« Sie lachte ein bisschen zu laut und verschüttete etwas Champagner.
Susanna nahm ihr das Glas ab. »Trink nicht mehr, sonst schläfst du ein, ehe wir uns treffen. Wie sollen wir es den anderen Mädchen sagen?«
Sie verständigten sich darauf, die Nachricht beim Tanzen von einer zur anderen weiterzugeben. Dann mussten sie nur noch warten, bis alle schlafen gegangen waren. Noch immer hatte Susanna das Gefühl, etwas Unerhörtes zu tun … Und dann der Ausdruck auf Maries Gesicht, als sie sich das Kleid nicht aufhaken lassen wollte! Kein Zweifel, dass die Zofe an ein heimliches Rendezvous gedacht hatte. Jedenfalls sah sie sehr enttäuscht aus, als sie die Wahrheit erfuhr.
Mit Malblock und Stiften in der einen und einer Kerze in der
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