Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
halten«, warf er lässig ein.
Sie stutzte und zuckte mit den Schultern. »Dann macht es dir also nichts aus, wenn dein Bruder davon erfährt?«
»Nein, er ist Kummer gewöhnt. Auf einen Eklat mehr kommt es kaum an.«
Na schön, dann gab es also nichts, womit sie ihm drohen konnte. Blieb nur zu hoffen, dass er sie auch so in Ruhe ließ. Einsperren würde er sie kaum – das traute sie ihm dann doch nicht zu.
Sie war gerade erst an der Kirche angekommen, als er schon wieder da war. Breitete eine mitgebrachte Decke aus und legte sich ins Gras, mit geschlossenen Augen und über dem Kopf verschränkten Armen. Susanna saß auf der Kirchentreppe und betrachtete ihn. Ihre Konzentration war zum Teufel. Wie sollte es auch anders sein in Gegenwart dieses provozierend attraktiven Mannes.
Ihres Ehemannes.
Sie hob die Augen von ihrer Skizze und sah ihn tadelnd an: »Es ist noch Vormittag. Bist du etwa schon wieder müde?«
»Ich konnte nicht richtig schlafen. Du hast darauf bestanden, die ganze Nacht in meinen Armen zu liegen, mich zu erregen, mir jedoch die Erfüllung vorzuenthalten.«
Vor Verlegenheit wurde sie ganz rot und schaute sich schnell um, ob jemand sie vielleicht belauschte. Schon wollte sie zu einer patzigen Antwort ansetzen, als ein Aufblitzen in seinen Augen sie verstummen ließ. Sie wusste es nicht zu deuten. War mehr passiert in dieser Nacht, als er zugab?
»Du weißt darauf keine Antwort?«, fragte er, und in seiner Stimme schwang Erheiterung mit.
Sie beugte sich vor, um sich die Struktur eines Blattes näher anzuschauen. »Das hast du dir selbst zuzuschreiben«, erwiderte sie matt und beschloss, das Thema ruhen zu lassen.
Als sie am Abend nach dem Essen, das sie im Speisesaal eigenommen hatten, auf ihr Zimmer zurückkehrten, stand schon ein dampfendes Bad bereit. Susanna warf sehnsüchtige Blicke auf die Wanne.
»Hervorragender Service«, erklärte Leo und schloss die Tür.
»Du kannst als Erste baden, Mrs Wade. Es gibt nichts mehr zu verbergen, denn gestern Abend habe ich dir auch dabei zugesehen.«
Sie wirbelte zu ihm herum. »Ich denke, du hast geschlafen!«
Sein Grinsen erinnerte sie an einen Piraten.
»Du hast nicht geschlafen – und warst auch nicht betrunken?«, fragte sie.
»Nein. Ich bin einfach nur ein rücksichtsvoller Ehemann. Ich wusste, wie sehr du dich nach einem Bad sehntest, und wollte es dir ermöglichen, ohne deinen Stolz zu verletzen.«
Als sie darauf nichts erwiderte, stieß er einen lauten Seufzer aus. »Kein Grund zur Sorge, ich konnte nur deinen Rücken sehen.«
Ihren ganzen Rücken – und das, was darunter kam. Das sollte kein Grund zur Sorge sein? Trotzdem hatte er sie nicht bedrängt, ihren ehelichen Pflichten nachzukommen, was Bewunderung verdiente. Vielleicht sollte sie sich daran halten.
»Es ist betrüblich, wenn man seinem eigenen Ehemann nicht trauen kann«, meinte sie. »Aber ich sollte eigentlich gewarnt sein. All die Gerüchte über dich. Es gab da eine andere junge Frau, die du fast ruiniert hättest.«
Seine Gesichtszüge spannten sich an, und sein Lächeln gefror. »Ach, jetzt glaubst du also all diesen Gerüchten?«
»Entsprechen sie nicht meistens der Wahrheit?«
Als er nichts darauf erwiderte, nahm sie es als Zustimmung. Die Einzelheiten jedoch wollte sie gar nicht wissen. Gerüchte waren etwas Unangenehmes – besonders wenn sie sich um den eigenen Ehemann drehten.
Und bald würde in den Londoner Salons auch über sie geredet, über sie und Leo und das Geheimnis ihrer überstürzten Hochzeit. Das war ein gefundenes Fressen für die Gerüchteküche, die immer neue Nahrung brauchte. Susanna fand das alles so widerlich, diese falsche Wohlanständigkeit, dieses geheuchelte Mitleid und auf der anderen Seite die Mitleidlosigkeit, mit der man manch ein bedauernswertes Mädchen schon hatte fallen lassen.
Leo streifte seine Jacke ab. »Ich kann dir den Rücken zukehren.«
Sie schreckte aus ihren Grübeleien auf. »Wie bitte?«
»Während du badest.« Als sie nichts sagte, fügte er hinzu: »Muss ich es etwa beschwören?«
»Nein, ich nehme dein Angebot an.«
»Brauchst du meine Hilfe beim Aufhaken deines Kleides?«
Sie schüttelte den Kopf. Heute nicht, aber bald. Sie besaß nur wenige Kleider, die vorne geschlossen wurden und bei denen sie ohne Hilfe auskam. Noch während der Reise würde sie auf andere zurückgreifen müssen.
Als sie sich zu entkleiden begann, knöpfte Leo lässig seine Weste auf und beobachtete sie recht ungeniert. Seine
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