Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
nur das Licht, das unter dem Spalt der Tür, die in den Ballsaal führte, zu ihnen drang, erhellte ihre Gesichter. Phillippa konnte erkennen, dass seines vor Erwartung, das zu bekommen, was er wollte, gerötet war.
»Hat Sie auch niemand gesehen?«, fragte er, während sein Blick besorgt in die Richtung zuckte, aus der das gedämpfte Geschwätz und die Musik der Feier drangen, die in vollem Gange war.
»Niemand hat mich gesehen.« Sie schaute in seine Augen, in diese funkelnden Augen, die sie so rasch zum Schmelzen gebracht hatten. »Außer natürlich der Diener, der mir das hier gebracht hat.«
Mit einer Verbeugung enthüllte sie ein Tablett mit Süßigkeiten und Marzipankonfekt; ein Anblick, bei dem den zehnjährigen Reggie Fieldstone beinahe der Schlag getroffen hätte.
»Schscht! Reggie! Sei still! Wenn deine Mutter es herausbekommt, wird es dich den Kopf kosten«, ermahnte Phillippa den Jungen.
»Nein, nicht mich. Sie wird es den Kopf kosten!«, konterte Reggie, während er durch das Geländer der eleganten Treppe langte und angestrengt versuchte, sich ein Aprikosentörtchen zu angeln.
»Mich wird niemals irgendetwas den Kopf kosten, Reggie. Nur einen Wimpernschlag, und ich habe dich verraten«, erwiderte sie lächelnd.
»Oh, Mrs. Benning, Sie sind einfach unschlagbar. Wirklich eine tolle Lady … alle anderen Freunde meiner Eltern würden mir befehlen, ins Bett zu gehen!«
»Nun, ich möchte nicht, dass du ins Bett gehst. Ich habe allerdings zwei Forderungen.«
Reggie nickte, dass sie weiterreden solle. Zum Sprechen war sein Mund zu voll mit den Dingen, die er sich bereits gegriffen hatte.
»Erstens darfst du keiner Menschenseele verraten, dass du mir gezeigt hast, wo die Bibliothek liegt.«
»Pffft … «, Reggie schluckte, sodass er etwas sagen konnte, »bitte entschuldigen Sie, Mrs. Benning Ich schwöre! Und überhaupt, nur Papa hält sich hin und wieder dort auf. Ich darf das Zimmer nicht betreten. Das dürfen nur Erwachsene.« Reggie war der älteste Sohn der Fieldstones, schon ein ganzes Jahrzehnt alt, weshalb er sich praktisch als erwachsen betrachtete. Seine Jugend stand jedoch noch so sehr in Blüte, dass die Launenhaftigkeit hin und wieder an die Oberfläche drang.
»Verständlich. Nun, zweitens erwarte ich von dir, dass du nicht noch einmal hier unten herumschleichst.«
»Aber Mrs. Benning, Sie haben doch gesagt, dass ich das Fest ebenfalls genießen soll!«
»Ja«, erwiderte Phillippa, sodass sich Reggies grimmige Miene etwas glättete, »aber ich hatte den Balkon im zweiten Stock gemeint. Von dort aus kannst du den Ballsaal wunderbar im Auge behalten.«
»Wie haben Sie das mit dem Balkon im zweiten Stock herausgefunden?«
»Oh, das war eine sehr komplizierte Sache«, erklärte sie, »ich bin in den Ballsaal gegangen und habe nach oben geschaut.«
Ihre Worte wurden mit einem entzückt verwirrten »oh« kommentiert. Reggie mag nicht der hellste Zehnjährige unter der Sonne sein, dachte Phillippa, aber dafür ist er unglaublich süß.
»Und … «, Phillippa senkte die Stimme, »… ich schenke dir einen Schilling, wenn du dir genau merkst, mit wem der Marquis of Broughton tanzt, wenn ich nicht im Ballsaal bin.«
»Einen Schilling … und ein Stück Kuchen?«
»Abgemacht.«
Phillippa streckte die Hand aus. Reggie schlug feierlich ein. Mit dem Tablett voller Süßigkeiten machte er sich dann davon, so leise, wie es einem davongaloppierenden Zehnjährigen möglich war, vermutlich auf den Balkon im zweiten Stock. Zufrieden mit ihrer kleinen Spionageaktion drehte Phillippa sich um. Sie hatte die Absicht, sich in den Ruheraum zu begeben, wo sie sich eigentlich mindestens zehn Minuten aufhalten musste, bevor sie in den Ballsaal zurückkehrte. Sie war jedoch keine drei Schritte über den dunklen Korridor geschritten, als sie heftig mit der überraschend kräftigen Gestalt eines sehr großen Mannes zusammenstieß, der offensichtlich gelauscht hatte.
»Mr. … Mr. Worth!« Mr. Worth, der schlaksige Gentleman, dem es gelungen war, sich von dem schrecklichen Zwischenfall mit der Orangenlimonade bei Almack’s zu erholen, umfasste ihre Taille, als sie ihm direkt in den Weg trat.
»Mrs. Benning«, sagte Mr. Worth, bevor er sich in die sichere Distanz von etwa einem Meter Entfernung zurückzog und auf die ihm eigentümliche Art den Rücken krümmte. Anders gesagt, bevor er das vollführte, was er wohl für eine Verbeugung hielt.
»Ich hatte nicht die Absicht zu stören …«
»Was haben Sie
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