Ein süßer Sommer
mögen vor Erleichterung. Dass in dem Telefongespräch, welches ich zwischen Bügelbrett und Staubsauger stehend belauscht hatte, ein Name gefallen war, der auch mit einem H begann –
«Wie geht es Helen?» –, ich hatte es gehört und irgendwo im Gedächtnis abgelegt, aber nicht griffbereit. Griffbereit war nur Helga. Ich hielt mich an dem Buchstaben fest. Hamacher begnügte sich mit meiner Erklärung, die aufgeschwemmt wirkende Frau unter der Wolldecke sei Candys Mutter. Und seiner Meinung nach hatte es uns nicht zu interessieren, mit welchen Geschichten die Kleine den Herrn Ministerialrat unterhielt. Da er das Wort Geschichten nicht über Gebühr betonte, dachte ich nur an Robbenbabys und Wale. Und da Erika Jungblut auf politisch korrektes Verhalten überprüft war, war die Sache für Hamacher erledigt. Hartmut Bender, der ohnehin nur im Wagen saß und den Hauseingang beobachtete, wurde über Funk zurückbeordert und umgehend nach Düsseldorf geschickt. Frau Grubert telefonierte mit dem Hotel in Hamburg, in dem Philipp Assmann abgestiegen war. Sie hinterließ die Nachricht, er könne zurückkommen. Ich erhielt die Anweisung, nach Frankfurt zu fahren und dort den Kollegen zu vertreten, der in Köln eingesprungen war. Einen lauten Protest wagte ich nicht, fragte nur:
«Wäre es nicht zweckmäßiger, wenn der Kollege zurück nach Frankfurt fährt und ich hier …» Weiter kam ich nicht. Der Frankfurter Kollege und Uli Hoger waren nämlich schon am Samstag mit der trauernden Witwe zuerst in einen IC nach Frankfurt und dort in einen Flieger gestiegen.
«Jetzt mecker nicht», sagte Hamacher.
«Kairo hätte dir auch nicht in den Kram gepasst. Da sind sie jetzt. Fahr nach Hause, pack ein paar Sachen und mach dich auf die Socken. Frau Grubert kümmert sich um ein Hotel. Du nimmst den nächsten Zug, Autos haben wir in Frankfurt genug. Kannst dir ja was zu lesen mitnehmen für unterwegs.» Mit dem letzten Wort schob er mir die Computerausdrucke zu.
«Und wie lange soll ich in Frankfurt bleiben?», fragte ich. Hamacher zuckte mit den Achseln.
«Woher soll ich das wissen? Sobald der angeblich Ertrunkene in der Nähe seiner lustigen Witwe auftaucht, ist die Sache ausgestanden. Vielleicht zwei Tage, vielleicht zwei Wochen. Aber übers Wochenende kannst du zurückkommen.» Da er nicht genau wusste, für welche Aufträge ich in Frankfurt eingesetzt werden sollte, das müsse vor Ort entschieden werden, meinte er, bekam ich noch eine dicke Mappe mit Informationsmaterial zu sämtlichen dort anliegenden Fällen in die Hände gedrückt und wurde verabschiedet. Vielleicht nur zwei Tage, vielleicht die ganze Woche weg. Wie sollte ich das Candy beibringen? Steuerberater machten wahrscheinlich keine Dienstreisen. Aber sie mussten wohl häufig an Fortbildungsseminaren teilnehmen. Die Steuergesetze änderten sich ja häufig. Ich konnte sie doch jetzt nicht mit der Wahrheit konfrontieren und dann mit ihrer Verblüffung oder Wut allein zurücklassen. Also präsentierte ich ihr eine Schulung, deren Dauer ich noch nicht ganz überblicken könne. Sie war viel zu schockiert, um stutzig zu werden.
«Was machen wir denn jetzt, Mike? Kann ich hier bleiben? Gerswein kennt doch nur diese Telefonnummer. Wenn er mich hier nicht mehr erreichen kann …»
«Natürlich kannst du bleiben», unterbrach ich den Redeschwall.
«Wenn es dir nichts ausmacht, alleine hier zu sein.»
«Das macht mir gar nichts aus, wirklich nicht. Ich halte die Wohnung sauber, ich werde auch die Fenster putzen und die Pflanzen gießen und deine Post raufholen. Und ich werde nicht herumschnüffeln, Mike, das verspreche ich dir.» Sie überschlug sich fast vor Dankbarkeit, Eifer und all den vielen kleinen Versprechen. Ich mache nichts kaputt. Ich werde nicht schnüffeln. Ich werde ganz vorsichtig sein mit deiner Stereoanlage. Ich mache ein ganz tolles Essen, wenn du zurückkommst, Mike. Du rufst vorher an und sagst mir, wann genau du da bist, dann steht es auf dem Tisch. Steaks habe ich noch nie gemacht, aber ich versuche es einfach mal.
«Ich werde entweder Freitagabend oder am Samstagvormittag zurückkommen», sagte ich. Als ich dann auch noch fragte, ob sie Lust hätte, mich zum Bahnhof zu fahren, ansonsten müsste ich mir ein Taxi rufen, geriet sie völlig aus dem Häuschen.
«Mit deinem Auto, Mike? Ich darf wirklich? O Mike, du bist …» Was ich war, erfuhr ich nicht. Sie konnte es nicht mehr aussprechen, war zu beschäftigt mit Küssen. Ich packte meine
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