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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Franklin ihnen die Betten unten an, und die Gesellschaft wollte sich gerade zerstreuen, als jemand an die Haustür hämmerte, dann ging die Küchentür auf, und da stand Johnny, der sich einen weihnachtlich entspannten Gesichtsausdruck gönnte und die Arme voller Flaschen hatte, begleitet von seinem neuen Spießgesellen, einem Dramatiker der Arbeiterklasse aus Hull, Derek Carey, der gerade nach London gekommen war. Derek war so jovial wie der Weihnachtsmann, und das aus gutem Grund, denn er war noch immer berauscht von dem Füllhorn London. Die Glückseligkeit hatte an seinem allerersten Abend begonnen, vor zwei Wochen. Auf einer Party nach dem Theater hatte er von weitem staunend zwei hinreißende blonde Frauen gesehen, mit einem vornehmen Akzent, der ihm zunächst aufgesetzt schien. Er hielt sie für Prostituierte. Aber nein, sie waren aus der Oberschicht in die morastigen Betten, in die schillernde akademische Welt von Swinging London geflohen. »Oh mein Gott«, sagte er stammelnd zu einer der beiden, »wenn ich mit dir ins Bett gehen könnte, wenn ich mit dir schlafen könnte, wäre ich dem Paradies näher, als ich je gehofft habe.« Er hatte verlegen dagestanden und erwartet, physisch oder verbal gezüchtigt zu werden, aber stattdessen hörte er: »Und das sollst du, liebes Herz, das sollst du.« Dann gab ihm die andere einen Zungenkuss, für den er zu Hause wochen- oder monatelang schwer hätte arbeiten müssen. So war es weitergegangen, und schließlich hatten sie zu dritt im Bett gelegen, und überall, wo er hinging, erwartete und fand er neue Freuden. Heute Abend war er betrunken, überhaupt war er in den zwei Wochen kaum nüchtern gewesen. Jetzt stellte er sich neben das, was vom Truthahn übrig war. Johnny pickte bereits energisch daran herum, und Derek tat es ihm nach. Johnnys Söhne saßen schweigend da und sahen ihren Vater nicht an.
    »Ich habe den Eindruck, ihr möchtet Truthahn haben?«, sagte Frances zu den Männern und reichte ihnen Teller. Derek beeilte sich zu sagen: »Oh ja, das wäre toll«, und nahm sich etwas, während Johnny seinen Teller überlud und sich setzte. Colin und Andrew gingen schweigend nach oben. Es hatte offenbar wirklich keinen Sinn zu fragen: »Und Phyllida? Was ist mit ihr?«
    Dass die beiden Männer gekommen waren, hatte allen den Spaß verdorben. Die jungen Leute schlichen nach oben ins Wohnzimmer, wo Julia eine weiße Spitzendecke ausgebreitet und ihr exquisites Porzellan gedeckt hatte. In der Mitte standen Teller mit deutschem Stollen und englischem Christmas Cake.
    Frances blieb mit den beiden Männern zurück und sah ihnen beim Essen zu.
    »Frances, ich muss mit dir über Phyllida reden.«
    »Lasst euch durch mich nicht stören«, sagte der Dramatiker. »Ich höre nicht zu. Aber ihr könnt mir glauben, dass ich mit Ehefragen bestens vertraut bin. Leider.«
    Johnny hatte seinen Teller leer gegessen, und jetzt füllte er Christmas Pudding in eine Schale, gab reichlich Sahne darüber und stellte sich mit der Schale in der Hand an seinen üblichen Platz, mit dem Rücken zum Fenster. »Ich komme zur Sache.«
    »Ja, bitte.«
    »Na, na, na, Kinder«, sagte der Dramatiker. »Ihr seid doch nicht mehr verheiratet. Ihr müsst euch nicht mehr anknurren.« Er schenkte sich Wein ein.
    »Das mit Phyllida und mir ist gelaufen«, sagte Johnny. »Um zur Sache zu kommen …«, wiederholte er. »Ich will wieder heiraten. Vielleicht verzichten wir auch auf die Formalitäten – ist sowieso bourgeoiser Blödsinn. Ich habe eine echte Genossin gefunden, sie heißt Stella Linch, vielleicht erinnerst du dich von früher an sie – Koreakrieg damals, na, du weißt schon.«
    »Nein«, sagte Frances. »Und was willst du dann mit Phyllida machen? Nein, sag’s nicht, du willst doch nicht vorschlagen, dass sie herkommt?«
    »Doch, das tue ich. Ich will, dass sie herkommt und im Souterrain wohnt. In diesem Haus ist viel Platz. Und es ist mein Haus, das vergisst du offenbar.«
    »Nicht Julias?«
    »Moralisch ist es meins.«
    »Aber es wohnt schon eine abgelegte Familie darin.«
    »Na, na, na«, sagte der Dichter wieder und hickste. »Prosit. Entschuldigung.«
    »Die Antwort lautet: Nein, Johnny. Das Haus ist einfach voll, und es gibt etwas, das du offenbar nicht kapierst. Wenn ihre Mutter herkommt, zieht Sylvia sofort aus.«
    »Tilly macht das, was man ihr sagt.«
    »Du vergisst, dass Sylvia über sechzehn ist.«
    »Dann ist sie alt genug, um ihre Mutter zu besuchen, aber sie lässt sich nie bei

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