Ein Tag in Barcelona (German Edition)
Sendung anschauen, dachte ich mir in dem Moment, da gilt es tapfer auszusehen. Ob ich ihn streicheln sollte?
Das Stück, das die Jungs spielten, konnte ich keine Sekunde lang genießen, weil ich bei jedem Schlag auf die Drums zusammenzuckte. Ich fürchtete, dass die noch friedlich schlummernde Kampfwurst plötzlich erwachen und mich anfallen könnte. Nach dem Lied klatschte ich als Einziger, sah aber wohl nicht wirklich überzeugt aus. Es entstand eine kurze, peinliche Stille, ich merkte, wie verkrampft ich dasaß und wie Schweißperlchen von meiner Stirn die Schläfe hinunterliefen.
Aldo, dem Sänger, entging meine Nervosität nicht, und er bot mir ein Bier zur Entspannung an – bei all dem lief die Kamera mit, es war furchtbar! Ich sah meine Cousins vor mir, die Familie, die Jungs aus meinem Dorf, die aussehen, als würden sie nur Backsteine mit Salami essen, an alle diese Leute musste ich denken – und cool bleiben. Doch mitten im Gespräch und den beschissenen Quizfragen, die mir die Moderatorin stellte, fing die Bestie neben mir an, sich zu bewegen. Keine Leine. Es war die Hölle.
Das Wichtigste ist, dass der Hund die Angst nicht wittert, dachte ich. Und ich dachte auch, dass es hier zum Glück nach Gras roch. Vielleicht geht mein Angst-Odeur ein wenig unter. So schaffte ich es gerade eben, mich ein kleines bisschen zu entspannen. Doch dann passierte etwas Absurdes und Alptraumartiges. Der Köter schaute mich an, sprang auf, umklammerte mein Knie – und fing an, mein Schienbein zu rammeln. Ich konnte es nicht fassen, die Leute vom Fernsehen auch nicht. Alle lachten, und die Moderatorin zwinkerte dem Kameraheini zu: »Hast du’s aufgenommen?«
Ich sehe jetzt noch, wie ich auf dieser siffigen Couch mit angstgeweiteten Augen sitze und mein Bein von einem immensen Pitbull genommen wird. Wenn Aldo nicht so ein cooler Hund wäre und mich beruhigt hätte, dass Filemón, so heißt das Tier, der zarteste und sensibelste Pitbull der Welt sei und schon Kinder gerettet habe, dann wäre ich nach dieser schmachvollen Erfahrung nie wieder mit ihm in Kontakt getreten. Bis heute ist er darauf erpicht, dass ich mich meinen Ängsten stelle und seinen Hund in den Ciutadella-Park begleite, wo sich viele Hundebesitzer an einer bestimmten Ecke treffen und ihre süßen Hündchen spielen lassen. »Liebe« Hundebesitzer, die sich ungerecht behandelt fühlen. Wo doch ihre Vierbeiner nur ein bisschen größer und kräftiger sind als der Rest. Aber gut erzogen und kein bisschen aggressiv …
Mag ja alles sein, ich kann Kampfhunde trotzdem nicht ab. Aber Aldo ist ein feiner Kerl! Dazu ist der Gute noch vernarrter Fallschirmspringer. Und an seinen Geburtstagen lädt er am liebsten in eine gemietete Arena ein, zu einer Corrida mit vaquillas, Jungstieren also. Da kann man dann selber den Torero mimen. Das ist zwar kein richtiger Kampf auf Leben und Tod, aber mit rotem Tuch alleine einer vaquilla gegenüberzustehen, dürfte trotzdem nicht ohne sein. Genau weiß ich das nicht, denn meine Überlegungen, welcher Angst ich mich zuerst stellen soll, ob dem Fallschirm oder dem Jungstier, habe ich noch nicht endgültig abgeschlossen.
Aldos Großvater war ein einflussreicher Mann in Ecuador, wo es wie in allen Ländern Südamerikas auch eine große Stierkampftradition gibt. Zum Stadtfest lassen sie dort immer die besten Toreros aus Europa einfliegen und zahlen denen ein Heidengeld; dafür müssen die dann mittags unter der Äquatorsonne schuften. Aldo erzählte mir mal von einem berühmten Torero – den Namen habe ich leider vergessen –, der seinem Opa das Kampfkostüm schenkte. Doch die Großmutter ließ es in einer Bar in Quito liegen. Sie sei zu besoffen gewesen von der Chicha, einer Bierart, die man dort trinkt. Das bricht meinem Freund Aldo immer noch das Herz.
»Weißt du, wie viel heutzutage so eine Montur kostet? 17 000 Euro, ganz abgesehen vom emotionalen Wert!«
Ich weiß noch, dass ich darüber staunte. So wie ich jetzt staune, als wir vor der Arena stehen. Denn es ist wahnsinnig viel los. Was beweist, welche Zugkraft José Tomás auch hier noch hat.
Barcelona hatte zwar die zweitgrößte Stierkampfarena des Landes und auch eine sehr lange Tradition. Aber die Wahrheit ist: Schon in den Jahren, bevor das katalanische Parlament 2010 das Verbot beschloss, konnte man feststellen, dass Stierkampf in Katalonien nicht mehr so beliebt war. Klar, es gab die alten aficionados, die seit Jahrzehnten ihrer Passion treu sind. Aber
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