Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
Vom Netzwerk:
Größe 41 … oder 41/42. Breite Passform.«
    Der Verkäufer schaut zu ihr hoch. Neben Mira sieht er noch kleiner aus. Seine Glatze reicht ihr gerade mal bis zur Schulter. Er strafft sich, die Augenbrauen wandern noch höher. »Wollen Sie nicht lieber etwas … Bequemeres? Wie Ihre Freundin?«
    »Nein, nein. Ich will die hier! Die sind so toll!«
    Der Mann räuspert sich. »Dieses Modell ist schon länger heruntergesetzt. Ich glaube nicht …«
    »Bitte schauen Sie doch noch mal im Lager nach!«
    Der Verkäufer ringt sich ein höfliches Lächeln ab, nickt, macht auf dem Absatz kehrt und verschwindet im Lagerraum. Im Handumdrehen steht er mit zwei Kartons wieder vor uns. Mira klatscht unter Entzückensrufen in die Hände. Der Verkäufer öffnet den für mich bestimmten Karton zuerst und zeigt mir die Wildlederschuhe mit der Blume auf der Schnalle. Ich nehme ihm den Karton aus der Hand und ziehe beide Schuhe an. Unglaublich, was die richtigen Schuhe ausmachen können. Sie gefallen mir supergut.
    »Passt«, sage ich.
    Der Verkäufer öffnet den anderen Karton. Miras erwartungsvolle Miene verfinstert sich.
    »Die hier sind viel bequemer und …
passender
für Sie. Eins unserer meistverkauften Modelle.«
    Und drei Mal so teuer wie die anderen, das schließe ich aus dem Preisschild. In dem Karton liegt ein Paar flache, schwarze Ballerinas mit einer kleinen Seidenschleife vorne drauf. Keine schlechte Wahl eigentlich, denke ich.
    »Haben Sie denn nachgesehen, ob die anderen noch in ihrer Größe da sind?«, frage ich trotzdem.
    Er nickt, aber ich glaube ihm nicht.
    Mira schmollt.
    »Sei nicht albern, Mira«, sage ich. »Es sind doch nur Schuhe. Mach nicht immer so einen Aufstand wegen allem und jedem. Wenn dir die schwarzen nicht gefallen, geh noch mal los und such dir was anderes aus.« Mit einem Blick auf ihre Füße setze ich hinzu: »Die schwarzen sind sowieso besser.«
    Der Verkäufer freut sich. Bestimmt kriegt er wesentlich mehr Provision, wenn er die schwarzen verkauft.
    Mira springt auf und rennt aus dem Laden.
    Der Verkäufer und ich sind baff. Ich schaue mich um. Seth hat alles beobachtet.
    Ich hab’s doch nur gut gemeint. Und Mira hat sich wirklich albern benommen! Macht eine Szene wegen einem Paar Schuhe! Und dann noch solchen geschmacklosen.
    Seth schaut mich unverwandt an.
    »Bin gleich wieder da«, sage ich zu dem Verkäufer.
     
    Mira hockt auf dem Bordstein vor dem Laden. Ihr Wimpern glänzen feucht, sie hat ein rotes Gesicht. Sie merkt, dass ich komme, bleibt aber stumm.
    »Ist der Platz schon besetzt?« Ich deute auf den Bordstein neben ihr.
    Weil sie nickt, bleibe ich stehen.
    Bringen wir’s hinter uns. Wir müssen das mit ihrem Ausraster klären. »Du hast dich ja ganz schön aufgeregt, nur wegen einem Paar Schuhe.«
    Sie schaut hoch und funkelt mich böse an. So habe ich sie noch nie erlebt, jedenfalls nicht mir gegenüber. Dann schaut sie wieder weg und sagt immer noch nichts.
    »Bestimmt hält dich der Verkäufer jetzt für …«
    »Ist mir scheißegal, wofür mich der Verkäufer hält! Ich weiß, was andere Leute von mir halten, Des. Verdammte Scheiße, ich weiß, was
du
von mir hältst!«
    »Wie jetzt? Du fluchst?«
    »Muss an meinem Umfeld liegen. Schlechter Einfluss und so.«
    »Ich halte dich gar nicht …«
    »Klappe!« Sie springt auf und starrt mich zornig an. »Ich bin vielleicht immer munter und fröhlich, aber deswegen bin ich noch lange nicht blind! Und taub auch nicht!« Sie atmet schwer, holt tief Luft, als nähme sie Anlauf. Ich mache mich darauf gefasst, dass sie mich gleich anbrüllt, stattdessen spricht sie leise und in bitterem Ton weiter, was fast noch erschreckender ist. »Ich weiß ja, dein Leben war die Hölle. Vielleicht bin ich grade deshalb immer so fröhlich, wenn wir zusammen sind. Aber wenn jemand fröhlich ist, bedeutet das nicht, dass er kein Hirn im Kopf hat. Es bedeutet vielleicht einfach nur, dass er sich um andere kümmert, sie aufmuntern will, auch wenn er im Grunde genauso hilflos ist wie alle anderen. Schon mal dran gedacht, dass ich vielleicht deswegen so bin wie ich bin, Des? Vielleicht bin
ich
ja diejenige, die Hilfe gebrauchen könnte. Vielleicht wünsche ich mir einfach nur, dass zur Abwechslung mal jemand
mich
aufmuntert.« Sie legt den Kopf schief und grinst ironisch. »Mich aufmuntern … Wär schon cool! Vielleicht ist ein schönes Paar Schuhe für dich etwas Banales, Albernes, aber vielleicht wäre es ein gewisser Ausgleich …« Sie wendet

Weitere Kostenlose Bücher