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Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)

Titel: Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi Babtschenko
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einer trägt in der Wüste bis heute vorschriftswidrig das blaue Barett der Luftlandetruppen der U d SSR .
    Bei allen Mängeln, die die Armee damals hatte, besaß sie dennoch einen unbestreitbaren Vorteil – sie ließ den Menschen gesellschaftlich nicht völlig verkommen. Im Gegenteil, sie förderte die Gleichheit und vermittelte ein Gefühl von sozialer Gerechtigkeit. Und vielen öffnete sie den Weg nach oben, sei es auch nur durch Erleichterungen bei der Hochschulzulassung. Wer begabt und zielstrebig war, der bekam durch dieses Milieu die Chance, jemand zu werden. Das war gerecht.
    Der «Afghane» schlug die Tür zum Leben nicht endgültig zu, er ließ sie einen Spalt weit offen. Obwohl das womöglich täuscht, weil diejenigen, die diesen Spalt nicht gefunden haben, ausgestorben sind. Wie zynisch das auch klingen mag.
    Bei den «Tschetschenen» ist die Situation eine ganz andere. Der Tschetschenienkrieg ist bis heute nicht verarbeitet, nicht begriffen worden. Eine Niederlage, besonders eine moralische, macht anfällig für Niederlagen im Zivilleben. Sie bringt den Menschen um die Zukunft. Und das ist ein weiterer Verrat an den Jungs.
    ***
    Eine Wehrpflichtigenarmee basiert auf einem einzigen Gedanken – der Pflicht vor dem Staat, der seinerseits auf dem Gefühl von sozialer Gerechtigkeit aufbaut. Ich lasse mir gern den Schädel kahl scheren und gebe meine Jugend her, wenn ich dafür Ausbildung, Arbeit, medizinische Versorgung, ein Alter unter menschenwürdigen Bedingungen, Unterstützung für meine Familie bekomme.
    Während der Staat, der den Soldaten in Dienst nimmt, von diesem fordert, eine Zeitlang zum Schräubchen im System zu werden, verpflichtet er sich, diese gestiefelten siebenhundertdreißig Tage nach dessen Rückkehr zu kompensieren. Ihm zu helfen, sein inneres Ich wiederzufinden. So wie das, sagen wir, in Israel der Fall ist – den Ehemaligen der Zahal, der israelischen Streitkräfte, wird eine Arbeitstherapie angeboten, ein halbes Jahr in einem Kibbuz. Das funktioniert. Schwere körperliche Arbeit ist offenbar bestens geeignet, die vom Krieg beschädigte Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Eine in ihrer schlichten Eleganz großartige Lösung. Wie speziell für Russland erdacht – Kolchosen gibt es hier genug.
    Oder was die Staaten in Vietnam gemacht haben. 1964 wurden in US -amerikanischen Zeitungen Fotos und Bordnummern von Jagdfliegern veröffentlicht – da war der Sohn des Verteidigungsministers, der Sohn des Vorsitzenden einer großen Parlamentspartei und noch jemand. Das war nicht für den Vietcong oder als PR -Aktion gedacht, sondern hatte ein einziges Ziel: Jeder Sergeant sollte sagen können: «Guckt, ihr Affen, habt ihr gesehen, wer da vorbeigeflogen ist? Er ist hier, er ist einer von uns!» Die sowjetische Flak nahm die Jagd auf diese Flugzeuge auf und schoss zwei davon ab, die Besatzung wurde später gegen Kriegsgefangene ausgetauscht. Doch die Fotos hoben die Stimmung unter den Soldaten gewaltig. Sie wussten: Sie waren nicht allein.
    Bei uns gab es Derartiges nie. Hier lässt der Staat den Menschen sofort fallen und macht seine eigene Mobilisierungsleistung zunichte. Der Sohn eines Verteidigungsministers als Jagdflieger in Tschetschenien – was für eine absurde Vorstellung.
    ***
    Im Grunde hat die heutige Regierung die Armee geschaffen, von der die Kommunisten geträumt haben – die Arbeiter-und-Bauern-Armee. Bei aller äußerlichen Ähnlichkeit waren Afghanistan und Tschetschenien inhaltlich völlig unterschiedliche Kriege. Der Wehrdienst ist zur Fron der ärmsten Gesellschaftsschichten für die reichsten geworden, die auch in der Gesellschaft dominieren. Die Personalnummer ist das Brandmal der unteren Kaste, die in den Krieg geschickt wird.
    Übertrieben formuliert: Die Armen dienen bei uns den Reichen. Die Frage ist – wofür? Und noch wichtiger – wie beantworten sie selbst diese Frage?
    ***
    Die «Tschetschenen» kommen vorwiegend aus den Regionen. In den Großstädten gab es Möglichkeiten, sich um den Wehrdienst zu drücken. An den Fingern einer Hand kann ich die Tschetschenien-Wehrpflichtigen abzählen, die ich in diesen zwölf Jahren in Moskau gefunden habe.
    Der Soldat, der aus dem Nichts in die Armee kam, wird aus ihr heute in eine noch größere soziale Hoffnungslosigkeit entlassen. Man kann sich kaum einen Tschetschenien-Veteranen, der beide Beine verloren hat, als Analytiker einer Erdölgesellschaft vorstellen. Auch einen Jagdpiloten sehe ich nicht

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