Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
sicher, daß meine Tochter »Geschieht dir recht« dachte, daß ich hätte schwören können, sie hätte es tatsächlich gesagt.
Ich schaffte es nicht lange, meine Tochter nicht zu mögen, denn ich begann wieder, wie es so oft passiert, mir vorzustellen, wie sie umworben wird und sich bis zur Hingabe erregen läßt. Eine verführerische Vorstellung. In den Tagen unserer frühen Leidenschaft, vor unserer Heirat, trieben meine Frau und ich einiges an Kneifen und Grabschen und Packen usw. (sie hätte sich nicht so verhalten, wenn es nicht die meisten anderen auch getan hätten, denn sie wollte nie zu einer privilegierten Minderheit gehören), und danach schämten wir uns deswegen, oder genauer, ich schämte mich. Ich stelle mir nicht gern vor, daß meine Tochter gepackt oder gekniffen oder begrabscht usw. wird, wie sehr sie es auch genießen mag. Im Gegenteil, je mehr sie es genießt, um so weniger behagt
mir die Vorstellung. Und weil wir gerade dabei sind, ich hasse richtiggehend die Vorstellung, daß sie überhaupt vögelt, wie konventionell auch immer, daß sie dabei stöhnt und keucht. Ich will nicht, daß sich meine Tochter auf irgendeine extreme Art vergnügt, die zu weit von meiner eigenen Erfahrung und meinem Wissen entfernt ist. Ich schaffe es nie lange, meine Tochter nicht zu mögen. Auch wenn sie fuchsteufelswild ist, höre ich sie mit derselben Stimme sagen: »Nimm deine dreckigen Hände von mir.«
Dieses ganze Zeug wird immer mehr. Es ist okay, es im Büro zu machen, weil es dann so aussieht, als würde ich arbeiten. Manchmal bleibe ich sogar länger, und das ist dann natürlich noch beeindruckender. Eigentlich würde ich es lieber zu Hause machen. Neben unserem Schlafzimmer ist eine kleine Kammer (»das Arbeitszimmer eures Vaters«), und darin habe ich schon ein bißchen geschrieben, mit der Ausrede, ich müßte einen Bericht über die Verkäufe im Pazifikraum fertigstellen — jeder sollte eine solche Kammer haben. Aber der Gedanke, daß meine Frau oder meine Kinder irgendwas davon finden, ist einfach undenkbar. »Wenn du es schon unbedingt wissen mußt, ich schreibe über mein Leben.« Was davon noch übrig ist, würde meine Frau nicht sagen. Es würde ihr nicht einmal in den Sinn kommen. Mir allerdings schon. Von da an säße ich in der Falle. Jede Kleinigkeit, die danach passiert, würde zu der Frage führen: »Schreibst du das auch in dein Buch, Daddy?« Vor allem Virginia würde irgendwann fragen: »Hast du es auch in dein Buch geschrieben, daß du versprochen hast, irgendwann mit den Hambles in den Park zu fahren, weil sie sich kein Auto leisten können?« Und hin und wieder käme natürlich von meiner Frau die Frage: »Wann kriegen wir es denn mal zu sehen?« Wie gesagt, es ist undenkbar. Wollen wir nur hoffen, es ist der Mühe wert und es hilft mir.
Ungefähr zu dieser Zeit kam meine Mutter zu Besuch, allerdings nicht für lange. Sie und meine Frau kamen absolut nicht miteinander aus. Ich werde versuchen, mich irgendwann später damit zu beschäftigen.
KAPITEL FÜNF
E s ist mir egal, wieviel und wo mein Sohn sich amüsiert, vorausgesetzt, er tut es. Er hat angefangen, die Webbs häufiger zu besuchen. Ich nehme es ihm nicht übel, denn ich bin ihm kein guter Vater. Ich habe ihn zu oft enttäuscht — wenn ich ihm keine Geschichte vorgelesen oder keine Brettspiele mit ihm gespielt habe, wenn ich nicht mit ihm ins Kino gegangen bin oder in den Park, um einen Drachen steigen zu lassen, oder ins Naturwissenschaftsmuseum oder ins Schwimmbad oder ... Wenn ich all die Sachen aufzähle, die Väter mit ihren Söhnen machen, um Anregung und Glück in ihr Leben zu bringen, erkenne ich, daß ich sie alle mit Adrian immer mal wieder nicht gemacht habe, die meisten häufiger. Natürlich habe ich einige gelegentlich getan, und dann habe ich seine Freude und seine Dankbarkeit genossen, vor allem, wenn es Sachen waren, die ich selber genieße. Aber zu oft habe ich, aus Müdigkeit oder dem Wunsch, fernzusehen, oder einfach nur aus Trägheit, gesagt: »Nicht jetzt. Ein andres Mal.«
Hier liegen die Gründe, warum er in letzter Zeit die Webbs so oft besucht. Ich kann mir vorstellen, daß Webb sich immer freut, ihn zu sehen. Er hat eine Werkstatt in seiner Garage und sammelt Briefmarken und findet immer die richtigen Worte. Ich frage mich, was Adrian ihm über uns erzählt. Daß es nur wenig zu erzählen gibt, ist kein Trost. Meine Frau lehnt Schnüffelei ab, außer wenn sie als Forschungsdrang
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