Ein unmoralischer Handel
stieß sich vom Bücherregal ab und ging auf sie zu, »ich hatte nicht erwartet, Sie hier anzutreffen.« Er blieb vor ihr stehen, musterte das Schimmern ihrer Augen hinter dem Schleier und wünschte sich, der Schleier wäre dünner. »Ich dachte, es sei meine Aufgabe, die Herren Thurlow & Brown ausfindig zu machen. Woher wussten Sie, dass sie hier ansässig sind?«
Ihr Atem ging schnell, ihr Blick war auf sein Gesicht geheftet, dann schaute sie weg. Mit einem geschmeidigen Schritt entschlüpfte sie der Falle zwischen ihm und dem Tisch und drehte sich ein wenig, sodass ihr Gesicht wieder dem Tisch zugekehrt war. »Ich bin zufällig darauf gestoßen.« Ihre Stimme war sehr leise; sie wurde fester, als sie fortfuhr und dabei die verstreuten Papiere zusammensammelte. »Ich musste dem Anwalt unserer Familie in der Chancery Lane einen Besuch abstatten und bin zufällig hier vorbeigekommen. Nachdem ich die Schilder gesehen hatte, habe ich mich einfach ein wenig umgesehen - und so habe ich die Kanzlei gefunden.«
»Das hätten Sie mir überlassen müssen; eine Nachricht senden und brav zu Hause bleiben, während ich das hier übernehme.« Er konnte selbst nicht sagen, warum er so verärgert war. Letztlich stand ihr ja frei, zu tun und zu lassen, was sie wollte - abgesehen davon, dass sie ihn um seine Hilfe gebeten hatte.
Sie zuckte die Achseln. »Als ich die Kanzlei gefunden hatte, dachte ich, ich schaue mal, was ich herausbekommen kann. Je eher wir die Gesellschaft ausfindig machen, desto besser. Alles, was wir brauchen, ist die Adresse der Firma.«
Gabriel runzelte innerlich die Stirn. Hatte sie es wegen seines Kusses bereut, sich an ihn gewandt zu haben? Selbst wenn dem so wäre - zu spät. Ihre atemlose Aufgeregtheit war deutlich zu spüren, doch er war Frauenkenner genug, um Widerstand nicht mit Ablehnung zu verwechseln. Wenn sie nicht ernsthaft in Versuchung wäre, dann wäre sie nicht so nervös. »Wie sind Sie denn hereingekommen? Die Tür war nicht abgeschlossen …« Erst da bemerkte er, dass die Kästen, die sie durchsucht hatte, jeweils mit einem Vorhängeschloss versehen waren. Nur einer war im Moment geöffnet, aber … »Sie können Schlösser knacken.«
Sie wand sich. »Nun - ja.« Sie machte eine abwertende Handbewegung. »Nur eine kleine Begabung, über die ich verfüge.«
Er fragte sich, welche anderen Begabungen sie wohl noch aufwies. »Wie es der Zufall will, verfüge ich ebenfalls über diese Gabe.« Er griff nach einem der Kästen, den sie noch nicht durchsucht hatte. Auf allen stand nur ein einziger Nachname. Die Box, die er in der Hand hielt, war mit »Mitcham« beschriftet. Er betrachtete das kleine Schloss.
»Bitte.«
Er sah auf. Eine zarte Hand, in feinstes Korduanleder gehüllt, hielt ihm eine Haarnadel hin.
»Genau die richtige Größe.«
Seine Hand umschloss die ihre, als er die Nadel entgegennahm. Im nächsten Moment hatte er die Box geöffnet; er schlug den Deckel zurück und hob den darin liegenden Papierstapel heraus. »Sind Sie schon auf irgendetwas gestoßen - auf Namen oder sonst einen Hinweis auf die Gesellschaft?«
»Nein. Nichts. Weder hier noch in dem anderen Raum findet sich eine Box mit dem Namen der Gesellschaft, aber irgendwo muss es eigentlich eine geben, nicht wahr? Wenn sie ein Klient dieser Kanzlei sind, müssen sie doch auch eine Box haben, oder meinen Sie nicht?«
»Das sollte man annehmen.« Gabriel schaute sich im Zimmer um. Sein Eindruck von den Inhabern bestätigte sich. »Die Herren Thurlow und Brown machen einen erzkonservativen Eindruck - wenn sie die Gesellschaft vertreten, dann muss auch eine Box vorhanden sein.«
Seite an Seite machten sie sich gemeinsam an die Suche. Sie arbeiteten zügig, aber gewissenhaft. Eine Stunde verging. Mit einem Seufzer legte die Gräfin schließlich die Papiere in den letzten Kasten, schloss den Deckel und schob die Box zu Gabriel hinüber, damit er sie wieder abschloss. »Nichts.«
»Wir haben immer noch Thurlows Zimmer. Das hier war erst die Hälfte.«
Er stellte die Box auf das oberste Regalbrett zurück, wandte sich um, griff nach der Lampe und winkte sie mit einer Geste hinaus.
Sie hatte bereits den Band, der ihr als Lampenschirm gedient hatte, zugeklappt und ihn wieder zurückgestellt; nun warf sie einen letzten Blick auf den Tisch und versicherte sich, dass auch alles so war, wie sie es vorgefunden hatte, dann schritt sie ihm voran durch die Tür.
»War die angelehnt?«
»Ja.« Sie schaute noch einmal zurück
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