Ein unwiderstehliches Angebot: Roman (German Edition)
Renaissancegemälde und die kostbaren Möbel nichts zu ändern. Niemandem war nach einer festlichen Stimmung zumute. Nicht ohne Lucien.
Besonders der Duke, obwohl er dieses Dinner gewünscht hatte, schien zu leiden. Er verzichtete auf die Suppe und ließ den Fischgang zurückgehen, mäkelte an dem Birkhuhn herum, obwohl die Soße cremig und das Fleisch gut gewürzt war. Und so ging es weiter. Nichts war ihm recht an diesem Abend, und er aß höchstens die Hälfte von dem, was ihm serviert wurde. Wenn überhaupt.
Sobald der Nachtisch verzehrt war, entschuldigte Louisa sich und floh förmlich aus dem Zimmer, während Vater und Sohn noch beim Port zusammensaßen. Charles wappnete sich für das, was nun kommen würde.
Er musste nicht lange warten, denn seinem Vater schien dieses Gespräch sehr am Herzen zu liegen.
»Die Ländereien bedürfen ab sofort deiner Aufmerksamkeit.« Der Duke drehte sein Glas in den Händen und schaute ihn mit wachem Blick an. »Ich werde dir dabei nach Kräften zur Seite stehen, doch beanspruchen meine Forschungen im Moment nahezu meine gesamte Zeit.«
Mit anderen Worten: Er würde sich überwiegend im Gewächshaus aufhalten oder am Schreibtisch seine Ergebnisse auswerten. Offenbar wollte er ein bestimmtes Projekt zu Ende bringen, bevor ihn die Kräfte ganz verließen. Darüber mit ihm zu streiten wäre ebenso sinnlos wie unfair. Falls seine Tage tatsächlich gezählt waren, sollte er sie nach seinem eigenen Ermessen verbringen dürfen.
»Natürlich, Vater. Ich werde zur Verfügung stehen.«
»Du bist jetzt ein Mann.«
»Das bin ich schon etwas länger«, wandte Charles ein.
Sein Vater lächelte. »Du weißt, wie ich das meine. Und die Verantwortung zu tragen ist nicht leicht. Vor allem nicht, wenn es einen so unvorbereitet trifft wie dich.«
»Du solltest nicht mit dieser Endgültigkeit darüber reden. Glaub einfach daran, dass Lucien bald wieder da ist, und zwischendurch kümmere ich mich um alles.«
»Mein Sohn, das hoffe ich inständig. Nur müssen wir auf den Fall aller Fälle vorbereitet sein …«
Die Stuckdecke des Speisesaals schien sich auf sie niederzusenken, als wolle sie die drückende Last symbolisieren, die er vielleicht bald würde schultern müssen. Charles gab sich einen Ruck. Wenn sie schon darüber redeten, dann richtig.
»Du sprichst nicht nur über Luciens Verschwinden, sondern auch über deine Krankheit, oder?«, sagte er. »Deinen Worten entnehme ich, dass es ernst sein könnte …«
»Ja, leider.«
»Wann wolltest du uns eigentlich endlich davon erzählen?«
»Warum sollte ich?« Sein Vater hob das Portweinglas an den Mund, um es sogleich wieder abzustellen. »Das ist allein meine Sache.«
Genauso hatte Lucien die Reaktion des Dukes vorausgesagt, doch Charles weigerte sich, das zu akzeptieren. »Nein, ist es nicht. Das betrifft uns ebenfalls … alle, die dich lieben. Es ist nicht fair, uns im Ungewissen zu lassen.«
»Du warst schon immer zu sentimental, mein Sohn.«
»Ich liebe meine Familie«, erwiderte Charles leise, »und hoffe, dass ich fähig bin, im erforderlichen Maße die Verantwortung zu übernehmen.«
»Dein Bruder versteht meine Haltung.«
»Mag ja sein, aber Lucien fällt es genauso schwer, das einfach so hinzunehmen. Er ist nicht annähernd so rational, wie du denkst. Du musst mit uns beiden darüber reden.«
»Vielleicht. Vielleicht nicht. Ich glaube, ich verstehe meinen Sohn ganz gut.«
»Nur den einen oder mich auch?«
Für einen Moment herrschte Stille, dann neigte der Duke den Kopf. »Touché.«
Unter anderen Umständen hätte Charles seinen Vater gefragt, was er als Nächstes plane. Stattdessen erklärte er: »Morgen werde ich noch einmal zur Polizei gehen, um nachzufragen. Möglicherweise haben sie ja irgendwelche Erkenntnisse, oder es wurden ihnen Informationen zugetragen. Sonst werden wir uns andere Wege überlegen müssen, um Lucien aufzuspüren.«
Louisa drehte sich um, als sie die Tür hörte. Sie hatte am Fenster gestanden und hinaus in den Garten geblickt. Dahinter erstreckte sich das Häusermeer der Stadt. Keine Felder und Wälder, sondern ein Haus neben, hinter und vor dem anderen. Egal wie groß das eine war, in dem sie sich befand … Es war nur eines von vielen.
Verloren stand er in der Tür. »Du bist noch wach, wie schön …«
In dem Moment beschlich sie zum ersten Mal das Gefühl, er könnte sie mehr brauchen als sie ihn. Sie hatte ihm nichts mit in die Ehe gebracht … keine Mitgift, keine familiären
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