Ein verführerischer Pakt
der sie gekommen waren. "Nun, es wird Zeit, dass wir weiterreiten, falls du nicht zu erschüttert bist."
Erschüttert? Zwei Männer lagen tot auf der Straße! Ohne zu fragen, war ihr klar, dass er ihrem Angreifer mit bloßen Händen das Genick gebrochen hatte. Und dem anderen Mann wahrscheinlich auch. Er hatte nicht einmal seine Pistole gezückt oder versucht, sie mit Worten zu vertreiben! Lily erschauerte, sie schaffte es nicht, darüber zu sprechen. Stattdessen folgte sie Guy nur stumm, als er jetzt auf einer Art Durchgangsstraße vorausritt.
"Das ist die Lambeth Street", erklärte er gelassen, als unternähmen sie nur eine Stadtbesichtigung. Er hatte eine gemächliche Gangart eingeschlagen und schien es nicht eilig zu haben, weder ihr Ziel zu erreichen, noch möglichen Verfolgern zu entgehen, die mittlerweile die toten Räuber entdeckt haben konnten.
Wen hatte sie da bloß geheiratet? Sie musste zugeben, dass sie vermutlich gar nicht mehr am Leben gewesen wäre, hätte Guy nicht so prompt auf den Angriff reagiert. Womöglich hätten die beiden Schurken mit ihren bösen Absichten sie weiter verfolgt, wenn er es bei einer bloßen Warnung belassen hätte. Wieder zitterte sie heftig.
"Kalt?"
Lily schüttelte den Kopf.
"Alles wird gut", versprach er. "Du wirst sehen."
Alles könnte aber auch durchaus des Guten zu viel sein, dachte sie mit einem unfrohen Lachen, das sich in ihrem Kopf eher wie ein Stöhnen anhörte. Im Moment konnte sie nur hoffen, dass sie diese furchteinflößende Seite des Teufels Duquesne nie mehr zu sehen bekam.
Erst jetzt erkannte sie, dass er nicht umsonst einen so miserablen Ruf hatte. Die Gerüchte über ihn waren wahr. Trotz seines scharfen Verstandes und seines Humors war er im Stande, ohne Gewissensbisse und ohne Skrupel zu töten. War er bereits ebenso verrückt wie sein Vater, der Earl?
Und dann … Die Ehe mit Duquesne war jetzt eine unwiderrufliche Tatsache. Eine Ehe, die nur durch den Tod eines der beiden Partner beendet werden konnte. Sie bekam eine Gänsehaut und warf ihm einen verstohlenen Blick zu.
Der Teufel lächelte.
4. Kapitel
Die Lambeth Street mündete in St. George, von wo aus man wiederum zur Kent Road gelangte. Kaum hatten sie diese erreicht, kam Lily manches bekannt vor. Zu ihrer Linken erstreckten sich weite Wiesen hinter bescheidenen Wohnhäusern und schäbigen Geschäftsgebäuden entlang der Straße.
Sie kamen zügig voran.
"In der Nähe der Brücke, die über den Derwent geht, legen wir eine Rast ein, und dann noch einmal in Wrotham", teilte Guy ihr mit.
Lily begriff, dass er die Strecke in Drittel einteilte. Zehn Meilen pro Abschnitt waren für die Pferde zumutbar, sofern man sie nicht zu schnell ritt. Lily freute sich sehr auf die Pause, denn sie war es nicht gewohnt, im Herrensitz zu reiten, ohne das weiche Polster, das ihre Unterröcke sonst boten.
Bei genauerem Nachdenken hatten sich ihre Bedenken wegen des Geisteszustands ihres Ehemannes ein wenig zerstreut. Wahrscheinlich sollte sie lieber froh darüber sein, dass er die Erfahrung hatte, mit solchen Bedrohungen umzugehen, anstatt zu beklagen, dass er zu etwas Derartigem fähig war.
Hatte sie nicht selber Brinks mehrmals bewusst auf den Kopf geschlagen, um sich zu retten? Und hätte sie ihn nicht umgebracht – die Mittel und die Kraft dazu vorausgesetzt –, wenn er sich zu schnell wieder erholt und sie bedroht hätte? Aus lauter Angst um ihr eigenes Leben wäre sie dazu wohl durchaus in der Lage gewesen. Wie konnte sie Duquesne also verurteilen?
Wenn sie klug war, dann verdrängte sie die Erinnerung an das Vorgefallene jetzt lieber. Zu viele Probleme lagen noch vor ihr.
"Du sitzt gut im Sattel", stellte er fest.
"Du ebenfalls", erwiderte sie. Plötzlich fiel ihr etwas ein, über das sie noch kein einziges Wort miteinander gesprochen hatten. "Falls jemand danach fragt: Wo haben wir uns kennen gelernt? Und wann haben wir geheiratet?"
"Wir bleiben bei der Wahrheit. Wir haben uns das erste Mal in Edgefield getroffen, als du noch ein Kind warst. Und vor kurzem sind wir uns dann wieder begegnet."
"Ich warne dich, Beau neigt dazu, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er könnte alles ausplaudern."
"Also, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein Kind von dir so unverblümt sein soll. Von wem hat er das nur?"
Sie hörte das Lachen aus seiner Stimme heraus, und das beruhigte sie. Nein, er ist nicht verrückt, sagte sie sich entschieden. Er zog sie wegen ihres Sohnes auf und verhielt sich
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