Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
sich Sorgen machen.«
Er schüttelte den Kopf. »Wer hätte das gedacht? Meine Flavia ist so englisch geworden …«
Meine Flavia …
» Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren hier«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Heutzutage denke ich sogar auf Englisch.«
»Meinst du, meine wunderschöne Flavia, du könntest mir einen letzten Gefallen tun, um der alten Zeiten willen?«, fragte er und nahm erneut ihre Hand.
Sie wusste, dass sie ihm die Bitte nicht abschlagen konnte.
Er war in einem großen Hotel auf dem Hügel abgestiegen.
»Ich verlange nicht von dir, mit mir zu schlafen«, erklärte er. »Aber ich kann nicht sterben, ohne dich einmal in den Armen gehalten zu haben. Nur ein einziges Mal, Flavia.«
Sie wusste genau, was er empfand. Hatte sie nicht vor Jahren das Gleiche gedacht? Also ging sie mit ihm den Hügel hinauf zum Hotel. Sie wartete an der Rezeption, während er seinen Schlüssel holte, und fuhr dann im Aufzug mit ihm zu seinem Zimmer hinauf.
Drinnen angekommen, schlug er die Bettdecke zurück und ließ sie allein.
Zitternd zog Flavia sich aus, ihren warmen schwarzen Mantel, ihre Wildlederstiefel, den dicken Rock und die Strümpfe. Sie streifte ihre Wolljacke, ihre Bluse und das Silberkreuz, das Lenny ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, ab. Schließlich legte sie die Unterwäsche ab, schlüpfte unter die Decke und wartete auf ihn, genau wie sie früher auf ihn gewartet hatte.
65. Kapitel
S ie kamen durch die Tür auf der anderen Seite der Küche, die ins Wohnzimmer führte: Giovanni Sciarra und ein anderer, älterer Mann, der ein schmuddeliges Hemd und Arbeitskleidung trug. Giovanni selbst wirkte in Jeans und einem weißen Leinenhemd kühl und gelassen, als wäre er zum Sonntagstee eingeladen.
»Giovanni«, zischte sie. »Was zum Teufel geht hier vor? Was haben Sie hier zu suchen?«
Der Ausdruck auf seinem Gesicht wechselte mehrfach, als er sich nicht entscheiden konnte, wie er auftreten sollte.
»Sie sind früh zurück, Tess.« Er schüttelte betrübt den Kopf.
Früh zurück? Wovon redete er?
»Früher, als gut für Sie ist.«
Sie versuchte die Angst, die in ihr aufstieg und ihre Knie weich werden ließ, niederzukämpfen. Er würde es nicht wagen, ihr etwas anzutun. Nicht vor einem Zeugen. »Was wollen Sie?«, fragte sie energisch. »Wonach suchen Sie?«
Aber natürlich wusste sie es. Und sie wusste, warum Giovanni so wütend geworden war, als sie seine Handwerker abgelehnt hatte. Er glaubte, dass er hier war, in der Villa. Il tesoro . Er war davon überzeugt. Deswegen war das Haus in einem solchen Zustand gewesen, als sie damals hergekommen war. Nicht Edward Westerman hatte es so hinterlassen, sondern Giovanni.
»Dove il tesoro è nascosto?« , murmelte er. »Wo ist er versteckt?«
Dann hatte er die Geschichte, die er ihr aufgetischt hatte, – dass Toninos Großvater den Schatz an jemanden verkauft hatte –, also nie selbst geglaubt. Er hatte nur versucht, einen Keil zwischen sie und Tonino zu treiben. »Giovanni«, sagte sie. »Sie scheinen etwas vergessen zu haben. Dies ist mein Haus, und Sie haben es unbefugt betreten.«
Er brummte etwas, was sie nicht verstand.
»Bitte gehen Sie. Sofort!« Doch Giovanni und der andere Mann kamen weiter auf sie zu. Der Kerl im Arbeitsanzug hielt einen Pressluftbohrer in der Hand. Um Gottes willen! Aha. An den Stellen, die sich dazu anboten, hatte Giovanni bereits gesucht, und bei der Renovierung hatte er gehofft, sozusagen tiefere Einblicke zu erhalten. Aber jetzt, nachdem sie seine Handwerker abgelehnt hatte …
»Ach, Tess«, sagte er.
Wieder spürte sie einen Anflug von Angst. »Er muss wohl etwas ganz Besonderes sein«, gab sie zurück, »der tesoro . Aber wie kommen Sie auf die Idee, er könnte sich hier befinden?«
Giovanni zuckte mit den Schultern und sprach mit dem Mann neben sich. Dieser drückte sich daraufhin an Tess vorbei und ging durch die Eingangshalle und die Haustür hinaus.
Tess ließ ihn gehen. Jetzt waren sie allein. Sie hatte Angst, und sie war wütend. Aber sie wollte dieser Sache auf den Grund gehen. Sie wollte die Wahrheit wissen.
»Wo sollte er sonst sein?« Giovanni beobachtete sie genau. »Das Haus ist das wahrscheinlichste Versteck, oder?«
»Ich habe keine Ahnung, wie Sie darauf kommen«, fauchte sie. »Er könnte überall sein.«
»Und wo zum Beispiel?« Giovannis Stimme wurde lauter. » Scopi questo! Wo immer er auch gelegen hätte, er wäre inzwischen gefunden worden.«
Tess hatte mittlerweile genug Stunden
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