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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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wurde von einem uralten Herd beherrscht. Der Kochtopf darauf sah aus wie ein Hexenkessel. Weiteres Kochzubehör hing an Haken an der rauchfleckigen Wand, zusammen mit Bildern diverser Heiliger und Madonnendarstellungen. Die Küche hatte ein kleines quadratisches Fenster mit einer Gardine, und in der Mitte stand ein fleckiger, pockennarbiger Tisch mit einer Ansammlung verschiedenartiger Holzstühle.
    »Espresso?«, fragte Santina. »Caffé? Biscotti?«
    Tess brannte darauf, die Villa zu sehen, doch sie hatte das Gefühl, dass ihre Gastgeberin sich nicht davon abbringen lassen würde, sie zu bewirten. Außerdem wurde ihr klar, dass ihr Mittagessen in Gatwick schon lange her war. Ein Espresso war also vielleicht genau das Richtige. »Si, grazie.« Sie ließ sich auf den Stuhl sinken, den Santina ihr bedeutet hatte. Sie war müde und seit Tagen beinahe unerträglich angespannt gewesen, seit Robins Absage genauer gesagt. Aber etwas in dieser Küche löste diese Anspannung nun. Ihre Schultern sanken nach vorn, und Tess entspannte sich. Sie war jetzt hier. Sie hatte es geschafft.
    Santina nickte, ging zur Küchentür und schrie die Treppe hinauf: »Giovanni! Giovanni!«
    Tess fragte sich, wer das sein mochte. Ihr Ehemann vielleicht? Ein weiteres Gesicht aus Mumas Vergangenheit, jemand, der damit rechnete, dass Tess zumindest von ihm gehört hatte?
    Aber nein. Zwei Minuten später trat ein Sizilianer in den Raum, den Tess auf Ende dreißig schätzte. Er war nicht groß, aber trotzdem wirkte er beeindruckend, als er jetzt in der Tür stehen blieb. Er posiert beinahe, dachte sie unwillkürlich. Als er Tess sah, zogen sich seine dichten schwarzen Augenbrauen zusammen.
    Er ratterte etwas in Richtung Santina, und sie ratterte zurück. Sie klangen wie zwei altmodische Züge, die über die Schienen holperten.
    »Sie sind Flavias Tochter?«, fragte er plötzlich auf Englisch.
    »Ja.« Die Dialoge hier klangen ja fast wie in einer Fernsehserie. Tess hatte keine Ahnung, ob sie sich durch seinen Ton beleidigt fühlen oder ob sie lieber erleichtert darüber sein sollte, dass hier endlich jemand war, mit dem sie kommunizieren konnte. »Ich bin Tess. Tess Angel.« Sie stand auf und streckte die Hand aus. »Und Sie sind …?«
    »Giovanni Sciarra.« Er sprach die Worte stolz aus. Dann nahm er ihre Hand, führte sie an die Lippen und sah unter seinen dunklen Wimpern zu ihr auf. »Ganz zu Ihren Diensten.«
    Hmmm. Sie konnte ihn nicht einordnen. Zuerst unfreundlich und im nächsten Moment der vollendete sizilianische Kavalier. Tess beschloss, mit ihrem Urteil noch abzuwarten. Dennoch: Das Letzte, was sie momentan brauchte, war jede Art männlicher Aufmerksamkeit.
    Santina, die Wasser aus einem Krug in das weiß emaillierte Spülbecken gegossen hatte und jetzt Kaffee in eine kleine, metallene Espressokanne löffelte, trat strahlend und nickend von einem Bein aufs andere. Sie stellte die Kanne auf den Herd und ließ dabei wieder einen Schwall unverständlicher Worte los.
    Giovannis Miene veränderte sich abermals. Er lächelte. Ein ziemlich hartes Lächeln, dachte Tess, ein wenig wie ein Tiger, der eine Beute erspäht hat. »Ich muss mich entschuldigen«, sagte er. »Ihr Besuch … ist una sorpresa … eine Überraschung. Wir dachten, Flavias Tochter wäre älter.«
    Tess zog eine Augenbraue hoch. »Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss.«
    »Nein, nein, ganz und gar nicht.« Seine Augen blitzten. Ihr fiel auf, dass sein Englisch sehr gut war. »Es ist nur …« Er zog sich einen Stuhl heran, drehte ihn um, schwang sein muskulöses Bein darüber und nahm rittlings darauf Platz. Dann sah er sie über die schwarzen Stege der Rückenlehne hinweg an. Tess versuchte, nicht zu kichern. Seine neue Haltung nährte ihre Tiger-Fantasie noch weiter, nur dass der Tiger jetzt hinter den Gitterstäben eines Käfigs saß.
    »Meine Großtante Santina«, er wies auf die ältere Frau, »und Ihre Mutter Flavia waren in ihrer Kindheit Freundinnen«, erklärte er. »Wie Sie wahrscheinlich wissen«, fügte er hinzu.
    Tess schüttelte den Kopf. Sie konnte es ebenso gut zugeben: Sie wusste nichts. »Die Wahrheit ist«, sagte sie, »dass ich das nicht wusste.« Sie lächelte Santina zu, die ihr Lächeln erwiderte.
    »Ah, aber so ist es. Sie spricht oft davon«, fuhr er fort. »Sie haben als Kinder zusammen gespielt. Ihre Familien … standen einander sehr nahe.« Er verhakte seine beiden kleinen Finger, um zu zeigen, wie sehr. Ihr fiel auf, dass er einen

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