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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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beobachtete ihre Mutter. Sie schien unruhig zu sein; ihre langen Finger spielten erst mit den Knöpfen an ihrer Bluse und dann mit dem Teelöffel. »Kannst du mir denn gar nichts anderes über meinen Wohltäter sagen?«, fragte sie vorwurfsvoll.
    Flavia schnalzte mit der Zunge. Das Öl in der Pfanne hatte die richtige Temperatur erreicht, und sie ließ die Auberginen hineingleiten. In den anderen Topf gab sie die Tomaten, die sie vorhin geschnitten hatte. Was man nicht wusste, konnte einem nicht schaden. Aber wahrscheinlich verdiente ihre Tochter es, wenigstens etwas zu erfahren. »Wenn du mir etwas parmigiano reiben könntest …«, sagte sie über die Schulter zu Tess.
    »Okay.«
    Flavia seufzte. »Er hat mir immer vorgelesen«, sagte sie. »Gedichte.«
    »Seine eigenen?« Tess drehte sich zu ihr um.
    Wieder spürte Flavia diese Schwäche in sich aufsteigen. »Ja, und die von anderen Dichtern. Er mochte Byron und D. H. Lawrence.« Sie lächelte. Edward Westerman hatte ihr von diesen Autoren erzählt, und die junge Flavia hatte ihm staunend zugehört. Ganz offensichtlich hielt Edward viel von Byrons Lebensstil. Oh ja, er hatte Flavia in eine Welt eingeführt, die eine Million Meilen von ihrem Leben auf Sizilien entfernt war. Sie schickte sich an, süß duftendes Basilikum in den Topf zu werfen, hielt dann inne und hörte wieder, wie Edward mit leiser, melodischer Stimme Worte intonierte, von denen sie die Hälfte nicht verstand. Aber die Melodie der Worte – die hatte sie verstanden.
    »Klingt, als wäre er ein interessanter Mensch gewesen.« Tess hatte den Käse aus Flavias altmodischer Speisekammer geholt (für manche Lebensmittel ist es im Kühlschrank zu kalt) und rieb ihn auf einen kleinen weißen Teller. »Reicht das?«
    »Ja, das ist genug.«
    Tess wickelte den Parmesan wieder in das Wachspapier und reichte ihrer Mutter den Teller.
    Flavia bemerkte den träumerischen Gesichtsausdruck ihrer Tochter. »Was ist?«, fragte sie.
    Tess setzte sich und umschloss die Teetasse mit beiden Händen. »Ich sehe dich nur gerade als junges Mädchen vor mir, nichts weiter.« Zum ersten Mal , doch das sprach sie nicht laut aus. Aber sie streckte die Hand aus, und Flavia spürte, wie ihre Tochter ihr sanft über den Arm strich. »Das ist schön.«
    Ja, ja, das wusste sie. Lenny erzählte es ihr ständig. Es ist unfair, ihr nicht zu erzählen, was passiert ist. Es ist deine Geschichte, und sie ist deine Tochter. Das alles ist lange her. Kannst du ihr die Geschichte nicht einfach erzählen und es dann gut sein lassen? Aber Flavia war sich nicht sicher, ob sie je in der Lage sein würde, die Geschichte zu erzählen. Und wie sollte sie sie loslassen?
    Mit dem Älterwerden wurde alles komplizierter. Was früher schwarz und weiß gewesen war, hatte viele verschiedene Grautöne angenommen. Sie holte tief Luft. »Edward hat mir geholfen, nach England zu kommen«, erklärte sie. »Vielleicht hat er dir das Haus deswegen vermacht.«
    Tess runzelte die Stirn. »Um mich zu ermuntern, England zu verlassen?«
    Etwas in Flavia geriet in Panik. »Das würdest du doch nicht tun, oder?« Sie starrte ihre Tochter an.
    »Nei … nein.« Tess schaute durch das Fenster in ihren kleinen Garten, in dem es Gartenmöbel, ein Stück Rasen, Sträucher und einjährige Pflanzen gab, also alles, was, wie Flavia vor langer Zeit gelernt hatte, für einen englischen Garten unbedingt erforderlich war. Sie interessierte sich nicht sonderlich für den Garten, denn dafür war Lenny zuständig, der auch jetzt irgendwo da draußen herumwerkelte. Das Fenster stand halb offen, und in der Brise flatterte der gelbe Vorhang wie ein Vogelflügel.
    Flavia erkannte den Blick ihrer Tochter, und er gefiel ihr nicht. Sie war in Gedanken weit weg und stellte sich vor, irgendwo anders zu sein. Warum? War sie nicht glücklich hier in Pridehaven?
    »Aber …«
    »Was, aber?« Die Auberginen waren kurz davor anzubrennen. Automatisch fuhr Flavia herum und hob sie aus dem Öl. Das war noch einmal gut gegangen. Sie legte sie zum Abtropfen auf Küchenpapier und kostete die brodelnde Tomatensauce, während sie immer noch auf eine Antwort von ihrer Tochter wartete. Sie bereitete all ihre Saucen aus frischen Tomaten zu. Bis sie ihr Restaurant aufgegeben hatten, hatte sie sie größtenteils selbst gezogen, in zwei riesigen Gewächshäusern, die sie bei einem Bauern in der Nähe gemietet hatte. Bei Tomaten hing die Qualität vom Boden und vom Klima ab. Wenigstens waren sie hier am Meer;

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