Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
Großmutter ein Schnippchen zu schlagen?«
Sie streckte ihr Kinn vor. »Ich wurde
nicht
in die Ehe gezwungen, nur dass du es weißt! Ich wollte dich heiraten, seit ich neun Jahre alt war. Es hat nur eine Weile gedauert, bis ich es geschafft habe.«
»Weißt du«, sagte er, und seine Augen begannen zu funkeln, »ich habe über dich und deine Romane nachgedacht, und mir kam der Gedanke, dass du sie vielleicht nicht nur geschrieben hast, weil du wütend auf mich warst. Vielleicht hast du tief im Inneren gehofft, ich würde sie lesen und genau das tun, was ich getan habe.«
Sie prüfte ihr Herz und erkannte, dass er wahrscheinlich recht hatte. Die Bücher, in denen Rockton vorkam, waren womöglich eine Art Lockruf gewesen – sieh mich, nimm mich wahr, liebe mich! »Oje, du hast meinen raffinierten Plan durchschaut!«
Er zog sie in seine Arme. »Aber vielleicht ist das noch nicht alles. Womöglich habe ich dir an jenem Abend nicht die Wahrheit gesagt, weil ich wollte, dass du darüber grübelst und mich in Erinnerung behältst. Womöglich gehörte das alles zu
meinem
raffinierten Plan, das Herz einer höchst widerspenstigen Lady zu erobern.«
»Du liebe Güte«, sagte sie grinsend, »das ist wirklich ein verschlungener Handlungsverlauf! Du solltest anfangen zu schreiben!«
»Nein, danke. Mir genügt es völlig, mit einer Schriftstellerin verheiratet zu sein.« Er sah sie verschmitzt an. »Aber du kannst etwas davon in einem Roman verwenden, wenn du willst.«
Und als er sie in die Arme schloss und küsste, lächelte sie in sich hinein – vor Glück, aber auch vor Freude über etwas, das er nie erfahren würde.
Sie hatte vor, diese ganze Geschichte in einem Roman zu verwenden. Giles würde es ebenso wenig erahnen wie alle anderen. Ja, vielleicht würde sie es manchmal nicht einmal selbst merken. Aber es würde alles da sein – die Gefahr, die Streitigkeiten, ihre verrückte Familie … die Liebe. Denn das Beste im Leben musste einfach gefeiert werden.
Und wie konnte man es besser feiern als mit einem Buch?
Epilog
Zwei Wochen waren vergangen, seit Lord Ravenswood ihnen die gute Nachricht überbracht hatte. Gabes Geburtstag stand ins Haus, und so hatte Minerva Giles zu einem Wochenendbesuch auf Halstead Hall überredet. Aber Giles hatte den Verdacht gehabt, dass es noch einen anderen Grund für den Ausflug gab.
Und er hatte recht gehabt. Ihr neues Buch war fertig. Und nun hatte sie ihn und Maria, ihre größte Bewunderin, in getrennte Zimmer gesetzt und sie genötigt, ihre zwei einzigen Exemplare des Romans in einem Zug durchzulesen. Sie hatte sie praktisch eingeschlossen und sie gebeten, ihr ihre ehrliche Meinung dazu zu sagen, wenn sie fertig waren.
Er konnte ihr es nicht verübeln, dass sie ihn vom Schreibtisch weggelockt hatte. Seit er zum Kronanwalt berufen worden war, hatte er kaum noch Zeit. Doch es machte ihn nervös, ihr jüngstes Werk zu lesen – falls es ihm nicht gefiel, was sollte er ihr dann sagen?
Je länger er las, desto nervöser wurde er. Nach ein paar Stunden streckte er den Kopf aus der Tür von Olivers Arbeitszimmer. Minerva saß in einem Sessel im Flur und vertrieb sich die Wartezeit mit einem Buch.
Sie sah überrascht auf. »Bist du schon fertig?«
»Zur Hälfte. Ich dachte, du wolltest Rockton sterben lassen. Für mich sieht es jedoch immer mehr danach aus, dass er der Held dieses Romans ist.«
»Das ist er auch.«
»Aber hältst du es für klug …«
»Lies weiter!«
Schulterzuckend verschwand er wieder im Arbeitszimmer und schloss die Tür. Es war ein guter Roman, doch Giles konnte nicht fassen, was sie mit Rockton gemacht hatte. Er hoffte ständig darauf, dass die Geschichte eine andere Wendung nehmen würde, aber wie sich herausstellte, hatte Minerva das Unvorstellbare getan.
Es war fast schon Abend, als er fertig war, und als er in den Flur trat, kam er direkt zur Sache. »Ich kann nicht glauben, dass du ihn nicht hast sterben lassen! Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass das Beil fällt, doch es kam nie dazu!«
»Ich habe niemals gesagt, dass ich ihn tatsächlich sterben lasse.«
»Also hast du ihn stattdessen verheiratet?« Er wedelte mit dem Manuskript. »Mit einer Frau namens Miranda? Meinst du nicht, die Leute erkennen die Ähnlichkeit zwischen ›Miranda‹ und ›Minerva‹?«
Bevor sie antworten konnte, kam Maria herbeigelaufen. »Das ist so lieb von dir!«, rief sie und fiel Minerva um den Hals. »Du hast Rockton eine Frau gegeben, die genau wie ich
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