Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
ein Schurke und zugleich ein Spion.«
»Doch nur aus dramaturgischen Gründen! Im wahren Leben kann man hingegen keine Dramatik gebrauchen. Sie macht alles viel zu kompliziert.«
Damit hatte sie sicherlich recht. »Sieh es einmal so: Ich gehe Tag für Tag einer seriösen Tätigkeit nach und sorge dafür, dass denen Gerechtigkeit zuteilwird, die es verdient haben. Und abends muss ich zum Ausgleich einfach weniger seriös sein, ja sogar etwas über die Stränge schlagen. Sonst würde ich verrückt werden.«
»Und zu welcher Hälfte deines Lebens gehöre ich? Zu der ernsthaften oder zu der ausschweifenden?«
»Heute? Zu beiden.«
Sie gingen durch einen kleinen Hain, und Giles zog sie hinter einen Baum und küsste sie. »Sag mir die Wahrheit! Bist du sicher, dass du wirklich eine Kostprobe haben willst?«
Sie schluckte. »Ja.«
Sein Puls schnellte in die Höhe, und Giles fuhr mit dem Daumen über ihre Unterlippe. »Dann werde ich mich morgen früh um den offiziellen Bericht bemühen, und nachmittags treffen wir uns dann …«
»Nein, morgen nicht. Lieber übermorgen, wenn Oliver sich im Wirtshaus in Ealing mit den Pächtern trifft. Wir wollen ihm doch nicht in die Arme laufen.«
Er nickte. »Dann muss ich zwar ein paar Termine verlegen, doch das soll nicht das Problem sein. Wir treffen uns also übermorgen um zehn Uhr an der Jagdhütte.«
»Weißt du, wo sie ist?«
»Ja. Wir Jungs haben früher dort immer Karten gespielt, bevor …« Er verstummte abrupt. »Ich werde mir alles ganz genau ansehen. Und dann werden wir zwei an einem Ort, an dem uns so schnell niemand findet, ein schönes Picknick veranstalten, und du bekommst die versprochene Kostprobe.« Er umfing ihr Gesicht mit den Händen. »Aber ich warne dich! Solltest du plötzlich doch bereit sein, dich verführen zu lassen, weiß ich nicht, ob ich in der Lage sein werde, Nein zu sagen.«
»Keine Sorge. Das wird nicht passieren.«
Er wollte sie küssen um ihr zu zeigen, wie leicht es passieren konnte, doch damit hätte er seine Pläne zunichtegemacht. Außerdem würde sie es ohnehin schon bald herausfinden.
»Übermorgen also«, sagte er und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen.
»Übermorgen«, bestätigte sie.
Der morgige Tag würde verdammt noch mal der längste seines Lebens werden!
12
In der Hoffnung, dass noch nicht alle aufgestanden waren, begab sich Minerva am verabredeten Tag zeitig zum Frühstück.
Doch sie hatte Pech. Als sie den Frühstücksraum betrat, erörterten Celia und Jarret die Vorzüge des neuen Manton-Hinterladers, eines Gewehrs, das Celia erworben hatte, während Oliver und Maria der Großmutter erklärten, warum Mamas altes Schlafgemach besser als Kinderzimmer geeignet war als die alte Stube, in der die Geschwister aufgewachsen waren.
»Wir möchten das Baby in unserer Nähe haben«, sagte Maria. »Und ich benutze das separate Schlafgemach ohnehin nicht.«
Jarret unterbrach sein Gespräch mit Celia. »Mein Bruder hält dich in seinem Bett viel zu sehr in Atem, als dass du Zeit hättest, in einem anderen zu schlafen«, scherzte er.
»Schlafen? Was ist das?«, warf Oliver ein, und die beiden Idioten brachen in dröhnendes Gelächter aus.
Maria verdrehte die Augen. »Der Punkt ist, dass sich das Schlafgemach eurer Mutter mühelos in ein Kinderzimmer verwandeln lässt. Außerdem ist es riesig und nicht weit von Jarrets und Annabels Zimmer entfernt, sodass sie demnächst auch ihr Kind darin unterbringen könnten.«
Minerva ging seufzend zur Anrichte und nahm sich etwas Toast, Schinken und Käse. Die endlosen Gespräche über den baldigen Familienzuwachs gingen ihr allmählich auf die Nerven.
Nicht, dass sie keine Kinder mochte. Doch der Gedanke, verantwortlich für so ein winziges Lebewesen zu sein – der Gedanke, ein Kind womöglich im Stich zu lassen, wie es ihre Mutter letztlich getan hatte –, ängstigte sie.
Außerdem müsste sie viele Dinge aufgeben, um eine gute Mutter zu sein. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, mit wie viel Wehmut ihre Mutter immer vom Schreiben geredet hatte und wie entschieden ihr Vater dagegen gewesen war.
Giles wäre nicht dagegen, dachte sie.
Sie runzelte die Stirn. Das hatte er zwar gesagt, aber sie wusste nicht, ob sie ihm glauben konnte.
Warum hatte sie sich dann mit ihm zu einem derart gefährlichen Treffen verabredet? Hatte sie den Verstand verloren?
Vielleicht. Möglicherweise wollte sie es aber auch einmal erleben, wie es war, von einem Mann berührt und liebkost und um ihrer
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