Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
passt.«
Sie sah ihn durchdringend an. »Wie soll ich denn bitte in dein Leben passen? Mein Name steht für Skandale: der Tod meiner Eltern, die gegenwärtige Situation meiner Familie … meine Bücher – nichts davon passt in das Leben eines erfolgreichen Anwalts, der bald zum Kronanwalt berufen wird.«
»Es könnte passen«, widersprach er. »Du musst nur …«
»Aufhören zu schreiben.«
»Nein! Ich sagte doch, es stört mich nicht.«
»Eines Tages wird es dich stören.«
Er sah sie verdrossen an. »Was ist mit deiner Lieblingsautorin Mrs Ann Radcliffe? Sie war während ihrer ganzen Karriere verheiratet, und ihr Mann war Zeitungsverleger. Seinem Ruf hat es anscheinend nicht geschadet.«
»Sie war eben nicht die Frau eines Kronanwalts. Wir wissen beide, dass Kronanwälte später häufig Richter oder hohe Politiker werden.« Sie stockte. »Du bist zu Höherem bestimmt.«
»Das kümmert mich nicht. Und dich sollte es auch nicht interessieren.«
»Dann ist da noch die Kinderfrage. Mrs Radcliffe hatte keine, nicht wahr?«
Bei dem Wort »Kinder« hielt er den Atem an.
»Du willst doch Kinder, oder?«, fragte sie, und ihr Herz schlug dreimal so schnell wie sonst.
»Natürlich«, entgegnete er. »Und du auch, gib es doch zu! Jemand, der so liebevoll über Kinder schreibt, kann unmöglich keine eigenen wollen.«
»Der Punkt ist …«
»Genug der Ausreden!«, fiel er ihr ins Wort. »Die Minerva, die ich kenne, kann das Leben führen, das sie zu führen wünscht. Sie ist stark und furchtlos und imstande, die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen. Das ist die Minerva, die ich will. Die Minerva, die keine Angst hat, den Stier bei den Hörnern zu packen.«
Er wusste einfach genau, was er sagen musste, dieser Fuchs! Es war wirklich schrecklich mit ihm.
Giles legte die Hand an ihre Wange. »Wir können ein gutes Leben zusammen führen – wir können es schaffen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Verlass dich ausnahmsweise einmal darauf, dass ich weiß, wovon ich rede.«
»Wie soll ich mich auf dich verlassen, wenn du der Wahrheit ständig ausweichst? Wenn du mir immer noch nicht sagen willst, warum du vor Jahren diese Papiere gestohlen hast? Eine solche Kleinigkeit, und du weigerst dich, mir …«
»Es ist keine Kleinigkeit«, stieß er hervor. Dann ließ er sie los, drehte sich um und starrte in den Wald. »Es ist etwas Persönliches und hat mit meiner Familie zu tun.«
»Es wird schon bald auch meine Familie sein, wenn ich dich heirate. Was jedoch ziemlich unwahrscheinlich ist, wenn du weiterhin Geheimnisse vor mir hast.«
Er kniff sich in den Nasenrücken und wandte sich ihr wieder zu. »Ich kann nicht mit dir darüber reden. Ich kann dir nur sagen, dass es mit meinem Vater zu tun hatte und dem Verlust eines großen Geldbetrags.«
»Oh Gott! Das war um die Zeit seines Selbstmords herum, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete er argwöhnisch. »Warum?«
»Nun, in den Zeitungen hat nie gestanden, warum er sich umgebracht hat, doch ich vermutete … Also, Männer, die am Spieltisch verlieren, nehmen sich oftmals …« Sie atmete tief durch. »Du hast Schuldscheine gestohlen, nicht wahr?«
Er sah sie überrascht an. »Schuldscheine?«
»Von deinem Vater. Du hast kein Geld gestohlen, also müssen es Schuldscheine gewesen sein.« Als sich seine Miene verfinsterte, fügte sie hinzu: »Ich weiß, dass es deiner Familie damals nicht gut ging. Deshalb musste dein Bruder eine Erbin heiraten, nicht wahr? Ich hörte meine Brüder darüber reden.«
»Deine Brüder sind eindeutig viel zu geschwätzig!«
»Nein, ich bin nur eine gute Lauscherin.« Sie hob ihr Kinn. »Auf jeden Fall ist es nichts, wofür man sich schämen muss.«
»Diebstahl ist nichts, wofür man sich schämen muss?« Giles zog eine Augenbraue hoch.
»Nun, Stehlen ist natürlich nicht gut, aber ich fand es schon immer schrecklich, dass die Ehrenschulden eines Mannes nach seinem Tod auf seine Kinder übergehen. Sie haben die Schulden schließlich nicht gemacht. Warum sollten sie dann für die Sünden des Vaters büßen?«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Fürwahr eine gute Frage!«
»Darum ging es also? War es das, was du gestohlen hast?«
»Du hast wirklich einen scharfen Verstand, meine Liebe«, entgegnete er. »Was soll ich noch dazu sagen?« Als sie ihn zu einer klareren Antwort drängen wollte, schob er nach: »Außer, dass die Anwaltskammer so etwas nicht gern hören würde, obwohl es in deinen Augen entschuldbar ist. Meine
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