Ein weites Land – Miteinander (Geschichten aus der Ferne) (German Edition)
würde, wenn die Zeit gekommen wäre. „Wally ist heute Morgen mit dem Tierarzt draußen. Hast du heute auch schon was vor?“
Phillip grinste und schaute etwas verlegen drein. „Mario hat mich gefragt, ob ich zusehen möchte wie die Jungs ...“, er zögerte, „... Kälberfangen und Faßreiten üben? Ich habe keine Ahnung, was das sein soll, aber es klingt interessant.“
Dakota nickte verstehend. „Nächsten Monat gibt es hier ein Rodeo. David ist ein verdammt guter Reiter und Kirk kann besser mit dem Lasso umgehen als fast jeder andere hier im Staat.“ So langsam ging ihm ein Licht auf. „Lass mich raten – das Lassowerfen und Reiten ist dir herzlich egal.“ Phillip warf ihm einen vielsagenden Blick zu und Dakota hätte sich fast an seinem Kaffee verschluckt, als ihm klar wurde, was hier wirklich lief. „Ich glaub’s ja nicht.“
„Also, eigentlich hört es sich schon ganz interessant an und Mario hat gesagt, er wird mir alles erklären.“
„Darauf möchte ich wetten.“ Nicht, dass Phillip auf diesem Gebiet noch Unterricht gebraucht hätte.
Kläffen und Hundegebell lenkte Dakotas Aufmerksamkeit nach draußen. Durch das Fenster glaubte er, den Wagen des Tierarztes vor dem Haus stehen zu sehen. „Was zum Teufel ist da los?“ Er sprang auf, rannte zur Haustür und riss sie auf. Zwei Männer rauften sich im Dreck. Einer der beiden war viel größer als der andere und die anderen standen drum herum und sahen zu. Herrje, einer der Raufbolde war Wally.
Dakota erreichte im Laufschritt die unterste Stufe und war unter Hundegebell und dem Geschrei der Männer schon halb über dem Hof. Als er näher kam, sah er Wally blitzschnell zuschlagen und Greg – dieser große, dämliche Blödmann – krümmte sich, ächzte laut und fiel mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Wally tänzelte auf Zehenspitzen und warf einen Blick in die Runde der anderen Männer, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder dem stöhnenden Mann auf dem Boden zuwandte. „Nenn’ mich noch einmal Schwuchtel und du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen, ob dir einer auf den Hosenladen glotzt, weil ich dir nämlich die Eier abreißen werde!“
Dakota hätte wissen müssen, dass die verdammte Besprechung zu gut verlaufen war. „Das reicht!“, brüllte er im Näherkommen und behielt dabei Greg im Auge. „Und du, auf mit dir.“ Dakota wartete, bis Greg auf wackeligen Beinen stand. „Was zum Teufel hast du dir eigentlich dabei gedacht?“
„Er hat mich angeglotzt“, murmelte Greg.
„Und was mache ich hier gerade? Willst du dich mit mir prügeln? Dann bringe ich zu Ende, was Wally angefangen hat und dann geb’ ich dir einen Tritt in den Arsch und schmeiß’ dich raus!“ Anscheinend hatte das den gewünschten Effekt. Ein guter Job war nicht leicht zu finden und Dakota behandelte seine Männer gut. „Antworte mir.“
„Nein, Sir.“ Greg blickte zu Boden. Dakota konnte nicht unterscheiden, ob Greg wirklich zerknirscht war oder ob Wally ihm nur den Schneid abgekauft hatte. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
Dakotas Blick ruhten weiter auf Greg, doch die Botschaft war für alle: „Das hier ist meine Ranch und Wally ist mein Gast. Ja, er ist schwul, genauso wie ich. Wenn ihr damit nicht umgehen könnt, kommt zu mir und holt euch eure Papiere ab.“ Dakota sah auf und wandte sich den Männern zu. „Das ist euer Arbeitsplatz und unser Zuhause. Wir leben hier, arbeiten hier und manchmal spielen wir hier.“ Dakota senkte die Stimme. Etwas von seinem Ärger fiel von ihm ab. „Sicher wisst ihr hier alle, wer Matthew Shepard war?“ Ein paar Köpfe nickten zustimmend. „Er wurde hier in Wyoming umgebracht, nur weil er schwul war. Sind wir so? Ganz sicher nicht, will ich doch hoffen.“ Da ließen schon einige die Köpfe hängen.„Ich bin hier aufgewachsen, auf diesem Land und ich weiß, dass wir nicht so sind. Heißt es nicht, leben und leben lassen?“ Niemand sagte ein Wort, doch alle hatten zumindest den Anstand, beschämt auszusehen.
„Ihr geht jetzt wieder zurück an eure Arbeit. Wer gehen möchte, kommt zu mir und holt sich seine Papiere und seinen Lohn ab.“ Dakota wartete nicht auf eine Antwort. Als er sich umdrehte, sah er, dass Wally immer noch außer Atem war. Seine Augen waren so groß wie Untertassen und er sah aus, als würde er am liebsten in einem der Koppelpfosten verschwinden. „Bist du okay?“ Wally nickte und ließ den Kopf hängen. Dakota legte ihm einen Arm um die Schultern und führte ihn ins Haus.
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