Eindeutig Liebe - Roman
zuckte und es als Fußbank benutzte.
Ich trug Nicks Namen und Adresse in Großbuchstaben ein und achtete darauf, dass die Ziffern sehr deutlich zu lesen waren, dann schob ich der Frau das Paket zu. Ihr Namensschild verriet, dass sie Sue hieß, aber darauf konnte man sich nicht verlassen. Als ich früher samstagmorgens im Supermarkt gearbeitet hatte, trug ich jahrelang ein Namensschild, auf dem »Geoff« stand, weil man sich nie die Mühe machte, eines mit »Sienna« zu bestellen.
Das Paket wurde gewogen. Wie viel wiegt Liebe eigentlich?, fragte ich mich.
»Das macht fünf Pfund neunzig, bitte«, sagte Sue und streckte erwartungsvoll die Hand aus.
Ich legte das abgezählte Geld in ihre plumpe Hand und sah ihr in die Augen. »Bitte, sorgen Sie dafür, dass es sicher ankommt. Bitte.«
»Ja, klar, das mache ich.« Sie rang sich ein Lächeln ab. Ich glaube, sie ahnte, dass es um einen Mann ging.
Der Dienstag kam und verging ereignislos.
Dann war es Mittwoch. Nicks großer Tag. Ich rief nicht an, ich schrieb keine SMS. Ich fand, ich hatte genug getan.
»Morgen, Schönheit«, begrüßte mich Lydia und hetzte bereits auf außergewöhnlich hohen Absätzen auf mich zu, als ich noch nicht ganz aus dem Aufzug war. Allein beim Anblick ihrer Schuhe wurde mir schwindlig.
»Du siehst großartig aus, Lyds«, sagte ich und gab ihr ein sanftes Küsschen auf die Wange.
Und sie sah wirklich gut aus. Ihre kastanienbraunen Locken fielen über einen dunkelgrauen Strickpullover, der an der Taille von einem schmalen Gürtel zusammengehalten wurde. Dazu trug sie eine maßgeschneiderte schwarze Hose, die an den Fesseln eng anlag und so die großartigen Schuhe hervorhob. Sie sah aus wie ein Supermodel. Ich betrachtete mein eigenes Outfit, das aus einer engen schwarzen Jeans, einem grauen Cardigan und schwarzen Ballettpumps bestand. Gelinde gesagt, sah ich ein bisschen langweilig aus.
»Du musst mich bald mal mit auf eine deiner Shoppingtouren nehmen«, sagte ich und hoffte, dass vielleicht ein Hauch ihres Stils auf mich abfärben würde, wenn ich nur dicht genug neben ihr saß.
Sie beugte sich an mein Ohr und erfüllte den Raum um mich herum mit ihrem Parfüm. »Ich habe einen Jungen kennengelernt, Sienna. Na, eher einen Mann. Sehr sexy.« Dann richtete sie sich wieder auf, legte die Hände ineinander und kicherte.
»Das ist ja aufregend! Erzähl mir mehr.« Ich streckte die Hände aus und hielt Lydia an den Unterarmen fest. Das ist also der Grund dafür, dass sie heute so spektakulär aussah, dachte ich. Ich meine, sie sieht immer gut aus, aber man merkt sofort, wenn eine Frau sich verliebt hat. Dann gibt sie sich noch mehr Mühe: Die Nägel sind lackiert, die Beine werden rasiert, parfümierte Feuchtigkeitscreme kommt zum Einsatz.
»Er arbeitet in einem Büro weiter die Straße hinunter. Wir sind uns jeden Tag bei Starbucks begegnet, und letzte Woche hat er mir einen Latte ausgegeben und mich nach meiner Nummer gefragt.« Sie sah hinunter auf ihre Füße und errötete leicht.
»Das ist ja süß!«, stieß ich hervor.
In diesem Augenblick klingelte mein Handy und riss mich aus meinen romantischen Betrachtungen mit Lydia. Der Anruf kam von Nick. Ich machte eine entschuldigende Geste in Lydias Richtung und verschwand im Korridor. Mein Magen rumorte wieder. Was, wenn ihm das Buch nicht gefiel? Was, wenn ich das Ganze falsch eingeschätzt hatte? Andererseits brauchte ich mir sicher keine Sorgen zu machen. Nick war ein künstlerischer, kreativer Mensch und sehr offen, was solche Dinge anging. Er wich nicht vor Pailletten zurück, weil er Angst hatte, er könne dadurch zu einer aufdringlichen Tunte werden.
»Hallo, Nick«, sagte ich und rang mir ein Lächeln ab, damit ich euphorisch klang und nicht zu Tode geängstigt.
Er versuchte, etwas zu sagen, aber ich hörte bloß einen merkwürdigen Satz, der die Wörter »Scheiße« und »Uugh« einschloss – falls Letzteres überhaupt ein echtes Wort ist. Ich nahm es als gutes Zeichen.
Während er mit mir sprach, stellte ich mir vor, wie er wohl gerade dasaß. Vermutlich hing sein Kopf über seinem Schoß und er hatte die Hände hinter dem Kopf. Typisch Nick! Ich wünschte ihm alles Gute zum Geburtstag.
»Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Da musst du doch Ewigkeiten dran gesessen haben. Es ist … na ja, es ist einfach unglaublich, Si«, sagte er.
In diesem Moment überkam mich ein dringendes Bedürfnis. Ich wusste plötzlich, dass ich ihm sagen musste, wie sehr ich ihn liebte,
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