Eindeutig Liebe - Roman
Currywurstbude steht. Und unter den Umständen wäre ein Leben in London ziemlich schwierig.
Mit Gefühlen war es so eine Sache. In dem einen Moment machte man sich noch einen Kaffee oder kaufte Milch und Cornflakes ein, und plötzlich – bamm! – überfiel einen wie aus heiterem Himmel das Unvermeidliche: all die Gefühle, die man unter einem Haufen Machosprüche begraben hatte. Unter all den dämlichen Sprüchen, die Freunde von sich gegeben hatten, um die Schmerzen zu lindern: »Andere Mütter haben auch schöne Töchter, Alter«, oder: »Wir konnten sie sowieso nie leiden …«
Aber ich war mir nicht sicher, ob ich Amelia wirklich vermisste oder ob ich nur Angst vor meiner ungewissen Zukunft hatte.
Das laute Ticken der Küchenuhr bestätigte mir nur, dass ich tatsächlich allein war. Ich bin kein großer Trinker, ich trinke eigentlich auch nicht allein, aber jetzt goss ich mir einen Schluck Whisky ein und schüttete ein bisschen Cola darüber.
Dann zog ich eine Marlboro Light aus der Jackentasche und steckte sie mir an. Augenblicklich umgab mich der Rauch und beschmutzte mit seinen schmierigen braunen Fingern jeden Winkel und jede Ritze meiner kleinen, sauberen Küche.
Stundenlang – so kam es mir zumindest vor – saß ich dort und spürte, wie die betäubende Wirkung des Alkohols in meine Beine sank. Ich zog tief an der Zigarette und spürte den vertrauten Rausch des Nikotins. Dabei redete ich mir ein, dass ich all das verdiente. Sicher hatte ich mir diesen Moment hässlichen Sichgehenlassens verdient, aber ich würde ihn definitiv bereuen, wenn ich um drei Uhr morgens geweckt wurde, damit ich rechtzeitig zum Flughafen kam.
Nick. Siebenundzwanzig. Single. Die Worte umkreisten immerfort meinen Kopf.
Nick. Siebenundzwanzig. Single …
Mein Selbstmitleid hielt ungefähr eine Stunde lang an, dann beschloss ich, mich zusammenzureißen. Von meiner zerbrochenen Beziehung waren nur noch der Brief, das Foto am Kühlschrank und die Tischdecke übrig. Ich nahm alles und warf es in den Mülleimer. Die Überreste – das hatte ich damit gemeint.
Plötzlich klingelte mein Handy, aber die Nummer kannte ich nicht. Zunächst ließ ich es hektisch vor sich hin vibrieren, doch dann entschied ich, dass es schließlich auch etwas Wichtiges sein konnte. »Hallo?«, meldete ich mich, ein wenig in Sorge darüber, wer es sein könnte.
»Hallo, Nick.« Ich erkannte die Stimme.
»Oh, hallo, Sienna. Alles okay?«, entgegnete ich. Ich setzte mich hin und blickte verlegen auf das selbstmitleidige Durcheinander ringsum.
»Mir geht es gut, danke. Ich wollte nur hören, wie das morgen früh läuft. Ist es noch okay für dich, mich abzuholen?«
»Ja, natürlich. Ich komme etwa um Viertel vor vier, wenn das in Ordnung ist.«
»Prima … aber eine Bitte habe ich: Könntest du vielleicht nicht an der Tür klingeln? Wenn du mich kurz anrufst, komme ich raus, ja?«
»Oh, sicher, kein Problem. Soll da jemand nicht geweckt werden?«, fragte ich scherzhaft.
Am anderen Ende der Leitung war nur zögernde Stille.
»Kannst du mir bitte eine SMS mit deiner Adresse schicken? Ich habe gerade keinen Stift zur Hand«, fügte ich hinzu, um die seltsame Stille zu brechen, die unser Gespräch überschattete, während ich gleichzeitig mit meinem Blick die Küche nach einem der hundert bunten Kulis absuchte, die immer überall herumlagen, wenn ich keinen brauchte.
»Klar«, antwortete sie.
»Was ist da vorhin eigentlich passiert, Sienna? Mit diesem Verrückten vor dem Haus?« Mir war eingefallen, dass ich sie noch gar nicht danach gefragt hatte, und ich wollte es wirklich wissen.
»Äh, nichts, mach dir keine Gedanken. Ich erkläre es ein andermal. Und, was machst du heute noch?«, fragte sie, um rasch das Thema zu wechseln.
O Gott, kalter Schweiß. Kalter Schweiß! »Ich lese gerade ein Buch über die Französische Revolution«, behauptete ich leise. »Auf Französisch.« Innerlich krümmte ich mich zusammen, aber es ging nicht anders, ich musste lügen. Die Wahrheit – dass ich wegen meiner Exfreundin Whisky trank und mich zu Tode qualmte – war einfach zu erbärmlich.
Trotzdem, ich hätte mir etwas Cooleres ausdenken sollen als das, was mein Gehirn willkürlich ausgespuckt hatte – ich hätte zum Beispiel behaupten können, dass ich vom Boxtraining käme.
»Oh, toll. Das klingt interessant«, meinte sie. Ich konnte hören, dass sie dabei lächelte.
»Und du?«
»Ich packe nur«, lautete ihre Antwort.
Verdammt! Warum habe ich das
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