Eine begehrenswerte Lady
von ihm halten, selbst wenn er sie enttäuscht und sie schlecht behandelt hat, sie hat ihn geliebt.«
»Ich weiß«, sagte Anne, »aber zu wissen, wie weit er bereit war zu gehen, um seinen Willen durchzusetzen …« Sie biss sich auf die Lippe. »Ich kann wegen seines Todes keine Freude empfinden, aber es ist schwer, etwas Nettes über ihn zu sagen.«
»Dann lass es«, riet Cornelia. »Althea ist die freundlichste und gutherzigste Frau, die man sich nur denken kann, sie erinnert mich auch immer an eine aufgeregte kleine Pfeifente. Trotzdem weiß sie, wie ihr Sohn war. Sie erwartet nicht, dass ihr sein Loblied singt. Tröstet sie einfach nur und seid nett zu ihr.«
In ein taubengraues Kleid gehüllt, das am Hals und am Ärmelsaum mit Brüsseler Spitze besetzt war, die dunklen Haare bis auf ein paar Löckchen vorn aufgesteckt, trank Gillian von ihrem Tee und hörte mit wachsendem Erstaunen, was die anderen Frauen zueinander sagten. Wenn sie das alles richtig verstand, hegte bis auf seine Mutter keine der anwesenden Damen freundliche Gefühle für den Verstorbenen. Annes Anspielungen auf das, »was er uns antun wollte« weckte in ihr die Frage, was dieses »was« wohl war. Emily und Cornelia wussten offensichtlich, was Anne meinte, aber keine schien geneigt, sie einzuweihen.
Da sie selbst Geheimnisse hatte, war Gillian zwar neugierig, machte den anderen aber keine Vorwürfe, dass sie es ihr nicht sagten. Die anderen drei kannten sich offensichtlich seit vielen Jahren, während sie der Neuankömmling in der Runde war. Sie fühlte sich ein wenig ausgeschlossen, sicher, aber nicht genug, um darüber zu grübeln oder gar gekränkt zu sein. Alle, rief sie sich in Erinnerung, hatten das Recht, bestimmte Sachen für sich zu behalten. Fast hätte sie geschnaubt. Wie tugendhaft sie klang, obwohl sie in Wahrheit dringend mehr wissen wollte.
Um sich von den geheimnisvollen Andeutungen abzulenken, suchte Gillian mit den Augen nach Luc, und ihr Herz machte wieder den inzwischen vertrauten Satz, als ihre Blicke sich quer durch den Raum trafen. Luc stand neben Barnaby bei den anderen. Er hörte zu, was um ihn herum gesagt wurde, aber sein Blick ruhte auf ihr, wanderte über ihre züchtig bekleidete Gestalt und wieder zurück zu ihrem Gesicht. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, während er sie anstarrte. Sie wurde rot und beugte sich über ihre Tasse. Verflixt! Obwohl es keine Stelle an seinem schlanken großen Körper gab, mit der sie nicht bestens vertraut war, oder eine an ihrem, die er nicht berührt oder geküsst hatte, hatte er die Macht, sie mit nicht mehr als einem Blick durcheinanderzubringen.
Es war unglaublich, dass sie nun schon seit über einer Woche verheiratet waren. Sie hörte nur halb auf die Unterhaltung der anderen Frauen – Anne erkundigte sich nach den Vorbereitungen für die Geburt von Emilys Kind – und ließ ihre Gedanken schweifen. Diese vergangenen Tage ihrer Ehe mit Luc waren für sie so etwas wie eine Offenbarung gewesen.
Als sie Charles geheiratet hatte, war sie rettungslos in ihn verliebt gewesen und hatte gedacht, dass er sie auch liebte. Sie hatte damals geglaubt, sie sei überglücklich. Dennoch hinterfragte sie jetzt die Tiefe ihrer Gefühle für Charles. Mit zunehmendem Alter hatte sie erkannt, dass das, was sie für ihren ersten Ehemann empfunden hatte, eine mädchenhafte Verliebtheit gewesen war – vor allem, wenn man es mit dem bis ins Mark reichenden Gefühl verglich, das Luc in ihr weckte. Ja, sie war in Charles verliebt gewesen, aber sie hatte mehr die Verliebtheit an sich geliebt als den Mann. Und da sie Luc so heftig liebte, wie sie das tat, kannte sie jetzt den Unterschied. Dass Charles sie nicht geliebt hatte und nur wegen ihres Vermögens geheiratet hatte, konnte sie sich heute so unaufgeregt eingestehen, wie sie es als Achtzehnjährige nie gekonnt hätte.
Sicher, ihre Zeit mit Luc war erst kurz, aber selbst jetzt schon konnte sie sich keinen Morgen mehr vorstellen, an dem sie nicht in seinen Armen aufwachte. Der Gedanke an einen Tag, an dem sie nicht sein geliebtes Gesicht sah, füllte sie mit Furcht, und die Macht und Stärke der Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, machten ihr Angst und Bange. Sie lächelte leise und schüttelte den Kopf. Nicht einmal hatte Luc ihr gesagt, dass er sie liebte, aber sie fühlte sich geliebt. Sie konnte das nicht erklären. Es gab keine blumigen Komplimente wie bei Charles am Anfang ihrer Ehe. Aber jedes Mal, wenn sie Lucs Blick
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