Eine Braut von stuermischer Natur
müsstet, dann brach er auf.«
»Hmm.« Murie starrte missmutig auf das Leinenhemdchen, ehe sie es sich eilig über den Kopf streifte. Das bedeutete vermutlich, dass es zum Fastenbrechen erneut Fisch geben würde, genau wie zum Mittag und zum Nachtmahl. Keine verlockende Aussicht, dachte sie und schalt sich für ihren Hochmut. Sie durfte sich weiß Gott nicht beklagen. Die Menschen hier aßen seit Monaten Fisch zu den Mahlzeiten, sie hingegen hatte es noch kein einziges Mal tun müssen. Das Nachtmahl, das Balan am Abend zuvor gebracht hatte, hatten sie beide verschmäht.
»Ich schätze, alles ist bereits auf den Beinen und geht seinen Pflichten nach?«, fragte sie.
»Gewiss, und die kleine Juliana harrt voller Erwartung darauf, dass Ihr aufsteht und ihr das neue Gewand kürzt«, antwortete Cecily fröhlich. »Ihr habt das Herz der Kleinen für Euch gewonnen, Mylady.«
»Sie ist ein entzückendes Kind.« Murie lächelte.
»Gewiss, das habe ich gleich gemerkt, als sie Euch zur Begrüßung auf den Fuß getreten hat«, versetzte ihre Zofe scharfzüngig.
Murie kicherte leise in sich hinein und beendete ihre morgendliche Waschzeremonie. Dann durchquerte sie das Gemach, um erneut in das rote Gewand zu schlüpfen. Sie streifte das schwarze Überkleid darüber und erkundigte sich: »Lord Reynards Kutscher ist noch nicht wieder gefahren, oder?«
»Doch, doch, er ist kurz nach Lord Gaynor aufgebrochen.«
»Dann ist er ohne Emilies Felle und Kissen gefahren.«
»Er meinte, sie könnte die Sachen für eine Weile entbehren, da sie auf Reynard keinen Mangel leiden. Es hat also keine Eile«, schloss Cecily. Sie nahm das Gewand, das Murie am Abend zuvor getragen hatte, prüfend in die Hände und gluckste verstohlen über dessen verräterische Knitterfalten. Murie errötete, ansonsten ignorierte sie den leisen Vorwurf im Blick ihrer Zofe. Balan war ein bisschen ungestüm gewesen, als er sie entkleidet hatte. Nachher hatte er ihre Sachen achtlos zu Boden geworfen.
»Und, was liegt an? Welche grässlichen Aufgaben haben wir heute zu erledigen?« Cecily straffte sich und faltete das Kleid. »Sollen wir den Boden in der großen Halle fegen und schrubben oder Holz fürs Feuer hacken?«
»Du bist verwöhnt durch deine Zeit bei Hofe«, gab Murie belustigt zurück. »Erinnerst du dich nicht mehr an das Leben in Somerdale? Dort war bestimmt nicht alles eitel Sonnenschein, nicht wahr?«
»Ihr habt recht«, gestand Cecily kleinlaut, während sie das Gewand weglegte.
»Ich frage mich, wie es Somerdale nach der Pestepidemie ergangen ist«, sagte sie unvermittelt. Zwischen ihre hübschen Brauen schob sich eine nachdenkliche Falte. Die junge Lady, abgelenkt durch die rauschenden Feste bei Hofe in London, hatte seit Ausbrechen der Pest keinen Gedanken an die Heimat ihrer Kindheit verwendet. Dies lag lange zurück, und die Menschen verschwammen vor ihrem geistigen Auge.
»Denen ist es nicht besser ergangen als allen anderen«, berichtete Cecily. »Ein Drittel bis die Hälfte der Dorfbewohner und Dienstboten hat der Schwarze Tod dahingerafft, auch William, Euren Haushofmeister.«
»William, der Haushofmeister«, murmelte Murie, ein verblasstes Bild kam ihr in den Sinn und Cecily, die jedes Mal verzückt lächelte, wenn er in ihre Nähe kam. Sie erinnerte sich dunkel, dass sämtliche Hausmägde für ihn geschwärmt hatten. »Ich frage mich, ob der König einen neuen Verwalter eingesetzt hat oder ob es Balans Aufgabe ist, sich darum zu kümmern.«
»Das kann ich Euch nicht sagen, Mylady. Ich weiß lediglich vom Hörensagen, wie es um Somerdale bestellt ist – von einer der Zofen auf dem benachbarten Schloss. Ihre Herrin war zu Besuch bei Hofe, da hat sie mir die Neuigkeiten berichtet.«
»Ich sollte Balan darüber in Kenntnis setzen«, entschied Murie und strebte zur Tür.
»Wünschen Mylady, dass ich inzwischen schon einmal mit dem Gröbsten beginne?«, erkundigte sich Cecily, die ihr gefolgt war.
Murie verharrte an der Tür und dachte nach. Es gab unendlich viel zu tun; daher fiel die Entscheidung schwer, womit sie anfangen sollten. Ein weiterer Rundgang durch das Schloss war zwingend geboten, dieses Mal mit mehr Muße, damit sie die dringlichsten Erfordernisse erfasste. Aber es bestand keine Notwendigkeit, dass Cecily ihre Zeit vertrödelte, indem sie ihr wie ein Hündchen folgte.
Mit der Zehe stieß Murie gegen etwas Hartes, Verkrustetes, das vermutlich vor längerer Zeit auf dem Holzboden verschüttet worden war. Sie ließ den
Weitere Kostenlose Bücher