Eine Braut zu Weihnachten
überlegte kurz. » Glücklich wäre wohl das bessere.«
»Glauben Sie?«
»Ja, denn meine Tante scheint sehr zufrieden zu sein mit ihrem Los, einem Leben, das ihr nicht aufgezwungen, sondern von ihr selbst gewählt wurde. Vieles spricht dafür, selbst über seinen Lebensweg entscheiden zu können. Tante Lotte ist unabhängig und muss sich vor niemand anders als sich selbst verantworten.«
»Trotzdem …« Sebastians Blick glitt wieder zu Miss Bramhall. »Ich finde es traurig.«
Veronica musterte ihn neugierig. »Aber was soll denn daran traurig sein?«
»Dass sie niemanden hat, mit dem sie ihr Leben teilen kann. Keine Kinder, keine nennenswerte Familie …«
»Sie hat mich und ihre Mutter und ihren Bruder!«, unterbrach Veronica ihn gereizt.
»Das ist nicht dasselbe. Sie hat niemanden, an dessen Seite sie alt werden kann. Niemanden, um ihre Hand zu halten, wenn ihr Leben sich dem Ende nähert. Niemanden, mit dem sie sich an geteiltes Glück und Leid zurückerinnern kann.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Verzeihung, falls meine Meinung Ihnen nahegeht, aber ich finde wirklich, dass es eine Schande ist.«
Veronica starrte ihn an. »Guter Gott, Sebastian.«
Er lachte. »Habe ich Sie schockiert?«
»Ja. Ich hatte ja keine Ahnung, wie poetisch Sie sein können«, erwiderte sie mit einem Anflug von Belustigung. »Sie haben die Seele eines Dichters.«
Er lächelte. »Finden Sie?«
»So scheint es, ja.« Sie nickte. »Ich muss sagen, ich bin …«
Er beugte sich zu ihr hinüber. »Ja?« Sie schaute ihm in die Augen, und er glaubte, einen stummen Austausch zwischen ihnen wahrzunehmen, eine Frage vielleicht, die gestellt und beantwortet wurde. Oder auch nicht gestellt wurde. Sein Herz schlug schneller. »Sie sind …?«
»Überrascht, denke ich. Nach der Lektüre Ihrer Bücher hatte ich den Eindruck, dass Sie ein eher praktischer Mensch sind und nicht zu der Sentimentalität neigen, die poetischere Naturen in sich tragen.«
»Kann ich denn nicht beides sein?«
»Offensichtlich schon.«
»Schließlich und endlich sind wir die Gesamtsumme von alldem, was wir erfahren haben. Oder gesehen und beobachtet haben.« Er dachte einen Moment nach. »Ich habe meine Eltern zusammen alt werden sehen, obwohl meine Mutter gegen meine Verwendung des Wortes alt Protest erheben würde.«
»Frauen mögen dieses Wort nicht«, warf Veronica lächelnd ein.
Sebastian erwiderte ihr Lächeln. »Mein Vater war kein Mann, der seine Zuneigung offen zum Ausdruck brachte, und dennoch war es für alle offensichtlich, wie sehr sie einander zugetan waren. Von dem Moment an, als sie sich zum ersten Mal begegneten, bis zum Tag, an dem er starb. Sie hatten sich gerade erst kennengelernt, als sie schon zu heiraten beschlossen.« Sebastian erwiderte Veronicas Blick. »So sind wir in meiner Familie.«
»Impulsiv?«
»Keineswegs«, verneinte er schmunzelnd. »Wir wissen nur, was wir wollen, wenn wir es vor uns haben.«
»Was für ein bemerkenswerter Zufall«, entgegnete Veronica leichthin. »So bin ich auch.« Ihr Ton wurde wieder ernster. »Wie lange ist Ihr Vater schon tot?«
»Fast ein Dutzend Jahre mittlerweile.« Sebastian hielt inne, um seine Gedanken zu sammeln. »Ich glaube, die Stärke dessen, was sie in den langen Jahren ihrer Ehe miteinander teilten, war es, was meiner Mutter den Mut gab, ohne ihn weiterzuleben.« Er lachte leise. »Das und drei von acht Kindern – Portia mit eingeschlossen –, die noch im Hause waren.
»Meine Eltern lebten uns vor, wie das Leben und die Liebe sein sollten. Leider hat es nicht bei allen so gut geklappt wie bei ihnen«, sagte er achselzuckend. »Mein Bruder Hugh war nur kurze Zeit verheiratet, als seine Frau starb. Meine jüngste Schwester, Miranda, hat auch vor etwa zwei Jahren ihren Mann verloren. Meine andere jüngere Schwester und ihr Mann leben getrennt. Mein Bruder Adrian ist allerdings sehr glücklich verheiratet, und meine ältere Schwester Diana ist auch sehr glücklich mit ihren dreißig oder vierzig Kindern.«
Veronica lachte. »So viele sind es sicher nicht.«
»Vielleicht sind es auch nur vier, aber man hat den Eindruck, dass es Dutzende sein müssen, wenn sie um einen herumtollen.«
»Und Sie sind der in sie vernarrte Onkel?«
»Hugh ist besser als ich in dieser Art von Dingen. Ich bin für gewöhnlich der abwesende Onkel.« Er lächelte, doch dann wurde er wieder ernst. »Ich beneide sie jedoch. Adrian und Diana um das Glück, das sie gefunden haben, und sogar Hugh,
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