Eine Braut zu Weihnachten
»Einen Plan?«
»Ja, einen Plan.« Sie nickte. »Möchten Sie hören, worum es dabei geht?«
»Mir ist fast ein bisschen bang davor.«
»Unsinn.« Sie lachte. »Die meisten der Redner vor dem Essen haben Ihren großen Mut gepriesen.«
»Und den werde ich wohl auch brauchen, schätze ich.« Er kniff die Augen zusammen. »Also erzählen Sie mir von Ihrem Plan.«
»Er ist einfach, aber genial«, begann sie mit einem mutwilligen Grinsen. »Ich nehme an, dass die Männer sich nach dem Essen in ein Rauchzimmer zurückziehen werden und man die Damen in irgendeinen kargen Salon verbannen wird. Tante Lotte und ich werden uns dann entschuldigen. Ich denke, ich werde Kopfschmerzen vorschützen. Das klappt gewöhnlich gut. Die Herren haben Verständnis, und die Damen wünschen, sie wären als Erste auf die Idee gekommen. Wir werden uns also empfehlen, und wenn Sie hier fertig sind, kommen Sie auf einen Brandy zu mir nach Hause.«
»Das ist Ihr Plan?«, fragte Sebastian vorsichtig. Sie hatte nichts von Verführung gesagt, aber vielleicht gehörte diese Unterlassung ja zu ihrem Plan.
»Ein Teil davon. Ich sagte ja, dass er ganz einfach ist.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und wandte sich dann Lord Chutley zu. »Vielen Dank für Ihre Geduld, Mylord. Sie hatten eine Frage an Sir Sebastian?«
Lord Chutley starrte sie einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf, als versuchte er, Klarheit zu erlangen. »Ja, natürlich, Lady Smithson. Aber vielleicht darf ich vorher noch bemerken, wie hinreißend Sie heute Abend aussehen.«
»Sie sind ein reizender Mann«, erwiderte sie lächelnd. »Und da ich nirgends Lady Chutley sehe, grüßen Sie sie doch bitte von mir.«
»Ja, natürlich.« Sichtlich bedauernd wandte Lord Chutley sich Sebastian zu. »Sir Sebastian, wir debattierten vorhin über die verhältnismäßigen Vorteile einer Reise mit …«
Sebastian versuchte, sich auf die Frage des Gentleman zu konzentrieren, und war sich ziemlich sicher, dass jeder, der ihn beobachtete, glaubte, er habe nichts anderes im Sinn, als Lord Chutleys Disput zu schlichten. Dass niemand auch nur ahnte, wie seine Muskeln sich zusammenzogen, wann immer Veronicas Röcke sein Bein streiften, wenn sie sich auf ihrem Stuhl bewegte. Niemand, der ihn beobachtete, würde merken, wie sein Magen krampfte, wenn er sie lachen hörte, oder dass er an nichts anderes als Verführung dachte. Und niemand wäre überraschter als er selbst, wenn er wüsste, wie sehr Veronicas Frage ihn schockiert hatte.
Und das, obwohl er nicht leicht zu schockieren war, schon gar nicht, wenn es um Verführung ging. Das Thema war ihm alles andere als fremd. Er hatte verführt und sich gelegentlich auch verführen lassen, und stets war er nur allzu gern bereit dazu gewesen.
Aber man verführte nicht die Frau, die man zu heiraten gedachte . Er war nicht sicher, warum er in diesem Punkt so unbeugsam war, aber so war es, obwohl ihm das so gar nicht ähnlich sah. Er hatte auf diesem Gebiet noch nie Bedenken gehabt. Aber andererseits hatte er ja auch noch nie vorgehabt zu heiraten. Offensichtlich brachte diese Entscheidung alle möglichen respektablen Verhaltensweisen mit sich. Großer Gott, was war mit ihm passiert?
Veronica. Sie war es, was ihm passiert war.
Er warf ihr einen Blick zu. Sie plauderte mit ihrem anderen Tischnachbarn, und Sebastian beobachtete sie einen Moment. Das Funkeln ihrer Augen, die Lebhaftigkeit, mit der sie sprach, und die anmutigen Gesten ihrer Hände, mit denen sie ihre Worte unterstrich, brachten sein Herz zum Rasen. Er musste sie so schnell wie möglich heiraten. Er würde verrückt werden, wenn er es nicht tat. Außerdem war er nicht sicher, wie lange er sich an seine neuentdeckten Prinzipien halten konnte. Ihm war schon der Gedanke gekommen, dass die Verführung der Frau, die man zu heiraten gedachte, vielleicht sogar in eine Grauzone fiel, solange die Absichten, die man hegte, ehrlich waren.
Nein , rief er sich zur Ordnung. Er musste es richtig machen. Und deshalb wäre es vermutlich klüger, auf den Besuch bei ihr heute Abend zu verzichten, vor allem, da sie einen Plan hatte, wie sie sagte. Was auch immer das sein mochte. Aber sie hatte ihn ausdrücklich eingeladen, und es wäre unhöflich, ihr gewissermaßen einen Korb zu geben. Außerdem würde ihre Tante anwesend sein. Was könnte also schon passieren?
Er war nicht sicher, ob er Angst hatte, es herauszufinden, oder ob er es kaum noch erwarten konnte.
Kapitel Neun
N ach den
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