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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Anstand und Rechtschaffenheit zu halten bestrebt bin, vermag mich zu beruhigen. – Und ich erreiche dieses Ziel, alle wirken glücklich und sind bisher sehr lieb und umgänglich. Ich schreibe dies, und wie um meine Worte Lügen zu strafen, drang gerade die ganze Bande bei mir ein: Serjosha beschwert sich, daß die Kleinen ihn im Saal beim Klavierspielen stören, wo Ilja mit ihnen aus Bauklötzen einen riesigen Brunnen baut. [...]
    Ich denke oft an das Leben auf dem Lande, an die Natur, die Stille, daran, wie all dies die Stimmung ernst, poetisch und erhebend werden läßt. Hier aber ist es das Gegenteil. Bleibe allein, wenn es Dir gut tut, ich fühle mit Dir und bin ganz frei von Egoismus; ich verspüre nicht mehr, wie es einstmals zu sein pflegte, jenen Kummer, daß Du mir keine Hilfe bist, daß Du uns nicht liebst usw. Gott sei dank ist auch dies ausgestanden.
    Ich schreibe Dir jeden Tag, doch es gibt gar keinen Stoff, den ich erzählen könnte. Nun sind Gäste gekommen, lebe wohl, mein Liebster, ich liebe Dich sehr; liebtest doch Du mich auch auf ebendiese Weise, still, rein und selbstlos.
    Sonja.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [26. Oktober 1884]
    [Moskau]
    Aus irgendeinen Grund ist mir ganz furchtbar traurig zumute ohne Dich; bis jetzt war ich bemüht, bei Laune zu bleiben, doch heute haben mich alle meine Kräfte verlassen, ich empfinde eine solche Sehnsucht, es ist einfach furchtbar. Wenn ich ganz gesund wäre, so setzte ich mich wohl sogleich in den Zug und käme nach Jasnaja. Doch meine Gesundheit ist schlecht; seit dem Ausbrennen habe ich unerträgliche Schmerzen. [...] Schon seit dem Morgen bin ich trister Stimmung, habe mich in einem fort mit Gelddingen beschäftigt. Ich lege eine Liste der unabkömmlichen monatlichen Ausgaben bei, an denen nicht gespart werden kann. Und heute wurde noch Leinenstoff für 50 R[ubel] geliefert, für Leibwäsche für die Kinder und Serjosha, Ilja läßt sich bei Guillaume einen Gehrock schneidern, obwohl gar kein Geld dafür da ist, aber davon mag keiner etwas wissen. [...]
    Lebe wohl liebster Freund, hoffentlich ergeht es Dir wohl.
    Ljolja und Mascha lachen so heiter und laufen durch das Eßzimmer, sie spielen Fangen.
    Sonja.
    Freitag.
    Monatliche Ausgaben
     
R[ubel]
R[ubel]
     
Engländerin
30
Jährliche Kosten für das Haus
Madame
50
Kaschewskaja 98
40
Versicherung
267
Gymnasium und Universität
47
an die Duma
200
Russ.-Lehrerin Maschas
 36
Grundsteuer
 80
203
547
LÖHNE
R[ubel]
R[ubel]
Koch
15
Ausbildung
203
Lakai
15
Löhne
98
Kutscher
16
Wäscherin
40
Njanja
8
Brennholz
60
Hausknecht
8
Serjosha
40
Dunjascha
8
Fleisch und Lebensmittel
Köchin
4
für die Bediensteten und uns
150
Warja
5
Getreide, Zucker, Beleuch-
Tatjana
6
tung, Kohle, Tabak u.ä.
150
Wlas
8
Bäcker
25
Amme
5
Parkettbohnerer
5
 
 
Pferde, Kuh
75
 
 
Nachtwächter
2
 
 
Taschengeld Ilja, Tanja,
 
 
Ljolja, Mascha
12
 
   
Haus
 50
im Monat
98
Macht insgesamt
910
 
 
die man auf den Tisch legen muß
     
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [28. Oktober 1884]
    [Jasnaja Poljana]
    Dein gestriger Brief hat mich sehr betrübt – sehr. [...] Heute erinnerte ich mich daran, daß ich 56 Jahre alt bin, und wie man sagt und ich es an mir selbst fühle, bringt eine Phase von sieben Jahren dem Menschen Veränderung. Mein größter Wandel erfolgte im Alter von 7 × 7 = 49 Jahre, als ich jenen Weg betrat, auf dem ich mich heute befinde. Diese sieben Jahre waren ungemein erfüllt von innerem Erleben, Klärung, Eifer, Veränderung. Nunmehr ist dies, wie mir scheint, abgeschlossen, meine neuen Überzeugungen sind mir in Fleisch und Blut übergegangen, und ich suche, meinem Weg entsprechend zu handeln. Und entweder werde ich sterben oder sehr unglücklich sein oder eine Tätigkeit finden, welche mich auf meinem Wege erfüllen wird. Selbstverständlich eine schriftstellerische Tätigkeit– die mir die vertrauteste und anziehendste ist. Ach, wenn Du nur nicht unglücklich wärst – wie Du es mir nach Deinem Brief zu sein scheinst. [...]
    Deine Aufstellung der Finanzen schreckt mich nicht. Erstens werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach das Geld haben; sollten wir es zweitens nicht haben, so wird sich erweisen, daß Ausgaben, die notwenig scheinen, durchaus verringert werden können. Ich kann – sei nicht böse, mein Herz – diesen Gelddingen absolut keine Wichtigkeit beimessen. Dies alles sind keine Ereignisse wie etwa Krankheit, Heirat, Geburt, Tod,

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