Eine Frau - Ein Bus
Nadel der Anzeige namens »Volt« … etwas zu bedeuten hatte. Nichtsdestotrotz widerstand er der Versuchung, schwarzes Klebeband über das verdammte, wenn auch beharrlich blinkende Warnlämpchen zu pflastern.
Tim konnte erklären, dass der Voltmeter die Leistung des Wechselstoßgenerators - das elektrische System, das so ziemlich alles im Bus steuerte, bis auf meine Wenigkeit - anzeigte. Mit vierhundert Meilen durch die Wüste, die noch vor uns lagen, war ein schwächelnder Wechselstromgenerator alles andere als gut.
Als wir uns Las Vegas näherten, fiel die Nadel weiter ab. Wir kamen auf den Hoover-Damm auf der U.S. 93 zu und hatten noch dreißig Meilen vor uns. Wie die Straße, die im Zauberer von Oz in den verwünschten Wald führt, war auch diese mit Warnschildern übersät, die die Leute aufforderten, wegzubleiben. (Es gab so viele davon, und sie tauchten mit einer derartigen Beharrlichkeit auf, dass ich fast erwartete, eines mit »Ich an Ihrer Stelle würde zurückfahren« zu sehen. Oder zumindest, dass die Böse Hexe des Westens mit ihrem Besenstiel »Ergib dich, Dorothy!« in den Himmel schrieb.) Die Schilder warnten vor unaufhörlichem Verkehr und nicht enden wollendem Stau, wenn man den Damm überquerte, und schlugen (manche würden es auch »befahlen« nennen) eine andere, wenn auch wesentlich längere Route vor. Doch unser Wechelstromgenerator gestattete keinen Umweg, also kämpfte ich meine Autoaggressivität nieder, und wir stürzten uns ins Getümmel.
Der Grund für das Getue lag schon bald auf der Hand: neue Sicherheitsmaßnahmen als Konsequenz von 9/11. Alle großen Fahrzeuge mussten kontrolliert werden. Wir bogen auf den Parkplatz ein und warteten, bis wir an der Reihe waren. Ausnahmsweise erntete Shula statt der gewohnten Oohs und Aahs kaum mehr als einen kurzen Blick, auch nicht von der Beamtin, die in unseren Bus stieg. Obwohl es uns ein wenig tröstete, schien Shula nicht im Mindesten davon beeindruckt zu sein.
Kaum hatten wir die Hauptstadt des Glücksspiels erreicht, war das Glück auf unserer Seite. Tim rief den Manager einer Prevost-Werkstatt an, die wir schon früher aufgesucht hatten. Er stellte den Kontakt zu seinem Bruder her, der eine Lastwagen-Werkstatt in Vegas betrieb. Normalerweise meiden LKW-Mechaniker Busse, weil ihr Motor auf engstem Raum im hinteren Teil des Fahrzeugs zusammengepfercht ist, statt wie bei einem LKW übersichtlich und leicht zugänglich vorn unter der Haube. Doch aus Achtung vor seinem Bruder zeigte unser neuer Retter ein Herz für Busfahrer und konnte uns sogar einen gebrauchten Ersatzgenerator besorgen, der uns wesentlich weniger kostete als erwartet. Wir entschieden uns für das Oasis - ein echtes Campingplatz-Resort. Er hatte zwei Pools und einen Whirlpool für Erwachsene, der abends lange geöffnet hatte. Wir beschlossen augenblicklich, länger zu bleiben.
Wir genossen die Lockerheit um uns herum, angefangen von unserem Campingplatz mit all den Kinkerlitzchen bis hin zu der gefahrlosen Reise um die Welt, wie man sie nur in Las Vegas geboten bekommt. Wo sonst auf der Welt kann man durch Paris schlendern, ohne eine Bank ausrauben zu müssen, um chic auszusehen; durch New York spazieren,
ohne sich Sorgen machen zu müssen, auf offener Straße überfallen zu werden; den Canale grande in Venedig besuchen, ohne wegen der leckeren Pasta fünf Kilo zuzunehmen; sich im alten Rom zu Hause fühlen, ohne sich in eine Toga hüllen zu müssen; einen Vulkanausbruch sehen, ohne um sein Leben laufen zu müssen; Piratenkämpfe beobachten und dabei in sicherem Abstand auf dem Gehsteig stehen bleiben (wenn auch leider ohne Johnny Depp) oder in einem orientalischen Bazar einkaufen, ohne sich als Kanadier ausgeben zu müssen.
Natürlich stürzten wir uns auch in verrückte Fahrgeschäfte, wann immer wir eines fanden. Unser Favorit war Big Shot, das sich auf dem Dach des Stratosphere Hotels befindet. Man wird rund fünfzig Meter (vom 16. Stockwerk des bereits gut dreihundert Meter hohen Hotelgebäudes) in die Höhe katapultiert, und zwar bei einem G-Kraftfaktor von 4 auf dem Weg nach oben und negativem G-Kraftfaktor (bei manchen auch der Rückwärtsgang ihres Mittagessens) nach unten. Für mich zahlte sich das Erlebnis aus: Als es vorbei war, bot mir das nette Mädchen beim Ausgang gleich noch eine zweite Runde an, und zwar für einen beachtlichen Preisnachlass. »Klar!«, rief ich, ohne eine Sekunde zu zögern, doch als ich mich umdrehte, blickte ich direkt in Tims
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