Eine Frau flieht vor einer Nachricht
wenn er sich erlaubt, sich zu freuen, weil er etwas ganz toll gemacht hat oder weil Ilan ihn lobt. Ich rede die ganze Zeit von Adam, sagt sie, aber Ofer ist niemals nur Ofer allein, das verstehst du, oder? Ofer, das ist immer auch Adam, und auch Ilan und auch ich. So ist das. So funktioniert Familie. Du hast keine Wahl, sie lacht ihn an, du wirst uns alle kennenlernen.
Ein Bild jagt das andere: Adam und Baby Ofer liegen zusammen im Schlafsack auf dem Teppich im Wohnzimmer – wie in einem Indianercamp, nackend eingerollt mit verschwitztem, wuscheligem Haar, und Adams rechte Hand liegt auf Ofers Bauch mit dem vorstehenden Bauchnabelknopf. Adam und Ofer, fünfeinhalb und zwei, sie haben sich in einem leeren Pappkarton ein Häuschen eingerichtet. Ihre Gesichter schauen durch ein kleines rundes Loch, das sie für sie ausgeschnitten hat. Ofer und Adam, ein Jahr und viereinhalb, früh morgens, nachdem sie zusammen nackend in Adams Bett geschlafen haben und Ofer gekackt und den schlafenden Adam verschmiert hat. Gründlich und eifrig hat er das getan, und gewiss auch großzügig und mit viel Liebe. Ofer bläst die Backen auf, um die drei Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen auszublasen, aber hinter ihm taucht Adam auf und pustet sie wild aus. Ofer richtet sich auf seinen kurzen Beinchen vor Adam auf, der ihm seinen Lieblingselefanten weggenommen hat, und brüllt ganz fürchterlich: Fant! Ofer! Fant Ofer! Er besteht so beharrlich auf seinem Recht, dass Adam einen Schrecken kriegt, ihm den Elefanten zurückgibt und ihn mit einem Funken neuer Hochachtung anschaut, und Ora lugt aus der Küche und registriert: Heute hat sich was verändert.
Großes Familienpicknick. Ein ganz lebendiges, scharfes Bild: Erwachsene und Kinder sitzen im Kreis und schauen auf Ofer, der in der Mitte steht. Ein helles, dünnes kleines Kind mit riesigen hellblauen lachenden Augen und einer Flut von goldenem Haar, er erzählt den Anwesenden den komischsten Witz der Welt, den Mama – das versichert er seinen Zuhörern – schon siebenmal gehört hat, und jedes Mal hat sie sich gekugelt vor Lachen! Und dann erzählt er einen langen, unverständlichen Witz von zwei Freunden. Er erzählt, bringt alles durcheinander, vergisst, erinnert sich wieder, und in seinen Augen rennt das Lachen hin und her, und sein Publikum johlt, und etwa jede Minute unterbricht Ofer und erinnert seine Zuhörer: Gleich, gleich kommt das Ende, wo man lacht!
Und die ganze Zeit läuft Adam – vielleicht sieben oder acht –, dünn, geheimnisvoll, seltsam und irgendwie getrieben, nach einem ganz bestimmten geheimen Schema, das nur er kennt, zwischen den Leuten hindurch, er hält sich nirgends auf, gibt sich keiner Umarmung, keinem Streicheln hin, schaut vielmehr scharf und gierig in die Ofer zugewandtenAugen. Plündert sie aus, ohne dass einer es merkt, ein kleines Raubtier, selbst gejagt.
Avram hört ihr zu. Eine Kohlmeise zwitschert im Gebüsch. Auf einer Seite des Berges, nicht weit von ihnen, an einer Stelle, wo wohl vor kurzem ein Brand gewütet hat, blüht wieder der Senf, ein wildes Durcheinander jauchzender Pflanzen, als hätten sie beschlossen, fröhlich zu sein, und sie freut sich, wie der ganze verbrannte Fleck von Senfblüten und Bienen summt.
Ofer, sagt sie, schwieg, bis er fast drei war. Er hat sich einfach keine Mühe gegeben, sprechen zu lernen.
Und das ist, Avram zögert, das ist spät?
Das ist ungewöhnlich, ja, ziemlich spät.
Avram legt die Stirn in Falten, verarbeitet die Information.
Weißt du, er hatte ein paar Grundwörter, ein paar sehr kurze Sätze, und viele Bruchstücke von Wörtern, hier eine Silbe, da eine Silbe, aber ansonsten war ihm einfach nicht danach, sprechen zu lernen. Trotzdem hat er sich sehr schön seinen Weg gebahnt, nur mit seinem Lächeln und seinem Charme, und natürlich mit diesen Augen. Die hat er von dir, sagt sie, weil sie sich nicht beherrschen kann.
Zu Oras Überraschung überzeugte er sogar Ilan, dass man fast ohne ein einziges Wort ein richtiges Leben führen kann. Den Ilan, der mir, Ora richtet sich etwas auf, noch bevor Adam zur Welt kam, gesagt hatte, er wisse schon jetzt, dass er nicht in der Lage sei, ein Baby zu lieben – auch nicht den eigenen Sohn –, bevor es zu sprechen anfange, verstehst du? Und hier ist Ofer, fast drei Jahre lang sprachlos, und du siehst, was dabei rausgekommen ist.
Ilan und er gruben stattdessen zusammen im Garten Beete um und pflanzten Gemüse und Blumen, sie gründeten eine komplizierte
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