Eine Frau flieht vor einer Nachricht
die Hände um den Mund und ruft laut auf Arabisch einen anderen Hirten, der auf einem anderen Hügel jenseits von ihnen weidet und auf einem Pferd oder Maulesel angeritten kommt, und der ruft einen weiteren Hirten, der auf dem Kamm eines dritten Hügels auftaucht. Ora und Avram laufen schnell durchdas enge Tal, und die Hirten über ihnen rufen sich Dinge zu, die Avram für sie aus dem Mundwinkel übersetzt. Wer sind die, fragt ein Hirte, weiß nicht, antwortet der andere, vielleicht Touristen? Juden, stellt der Dritte fest, schau doch die Schuhe, das sind bestimmt Juden. Was machen die hier? Keine Ahnung, vielleicht wandern sie nur einfach so, antwortet der Zweite. Juden, die einfach so wandern gehen? fragt der Hirte auf dem Pferd, seine Frage bleibt unbeantwortet, und die Hirtenhunde bellen zusammen mit den Rufen ihrer Besitzer. Die goldene Hündin knurrt und bellt, und Ora beugt sich zu ihr, drückt ihren Kopf an ihr Bein und versucht, sie zu beruhigen.
Einer der Hirten stimmt ein Lied voller Arabesken an, und die anderen singen von den anderen Hügel mit; Avram zischt, sie sollten sich beeilen. Für Ora klingt es wie Minnesang, aber vielleicht sind es auch Derbheiten, die sich auf sie beziehen, und sie laufen schweigend, rennen beinahe den schmalen Weg zwischen den beiden Hügeln entlang, die vor ihnen immer mehr zusammenrücken; schließlich versperren ihnen riesige Felsbrocken den Weg. Vor den Felsen liegen auf einer großen Matte drei Männer mit massigen Körpern und betrachten sie mit reglosen Gesichtern.
Schalom, sagt Ora und bleibt stehen, atmet schwer.
Schalom, antworten die drei, zwischen ihnen auf der Matte eine aufgeschnittene Wassermelone, ein Kupfertablett mit Mokkatassen, daneben köchelt auf einem Petroleumkocher ein langstieliges Kaffeetöpfchen.
Wir gehen hier spazieren, sagt Ora.
Sachteen , willkommen, sagt der Älteste. Sein Gesicht ist mutig und schwer, seine weißlich-gelben Lippen sind dick.
Schön ist es hier, sagt sie, als müsse sie sich entschuldigen.
Bitte schön, sagt der Mann und lädt sie und Avram ein, sich zu setzen, reicht ihnen einen Teller mit Pistazien.
Was ist das hier, fragt Ora und nimmt mehr Pistazien, als sie eigentlich wollte.
Das hier ist Ejn Mahel, sagt der Mann, da oben ist das Stadion von Nazareth. Von wo kommen Sie?
Ora erzählt es ihm. Die Männer sind überrascht und setzen sich auf: So weit sind Sie gelaufen? Sind Sie Sportler?
Ora lacht, nein, ganz und gar nicht, wir hatten das eigentlich gar nicht vor.
Einen Kaffee?
Ora schaut Avram an, der nickt.
Sie setzen ihre Rucksäcke ab. Ora holt eine Packung Kekse heraus, die sie am Morgen in Schibli gekauft hat, und ein Paket Waffeln aus der Moschawa Kinneret. Der Mann reicht ihnen die aufgeschnittene Melone.
Aber bitte, sagt Ora gleich, wir wollen nicht über die Nachrichten reden.
Gibt es einen besonderen Grund? fragt der Mann und rührt langsam in dem Kaffeetöpfchen.
Nein, nur so, wir wollen uns einfach ein bisschen davon ausruhen.
Der Mann gießt den Kaffee in die kleinen Tässchen. Der andere neben ihm, mit dicken Armen, einer weißen Kafiya und schwarzem Ring auf dem Kopf, zieht schweigend an der Nargileh und offeriert auch Avram einen Zug, und Avram nimmt an. Ein junger Mann, bestimmt einer der Hirten, die sie von den Hügeln aus beobachtet haben, kommt schnell angeritten und setzt sich zu ihnen; er ist, wie sich herausstellt, der Enkel des Ältesten. Sein Großvater küsst ihn auf die Stirn und stellt ihn den Gästen vor: Ali Chabib-Allah, er ist Sänger und hat schon den Vorentscheid für einen Wettbewerb bei euch im Fernsehen gewonnen, sagt der Großvater lachend und klopft seinem Enkel auf die Schulter. Sagen Sie, fragt Ora plötzlich so couragiert, dass es sie selbst überrascht, würden Sie mir vielleicht zwei Fragen beantworten?
Fragen? Der Großvater wendet sich ihr mit seinem ganzem Körper zu, was für Fragen?
Nur so, nichts Besonderes, sie lächelt verlegen, wir machen so eine – im Grunde haben wir noch nicht richtig begonnen, wir haben uns das bisher nur überlegt – unterwegs so eine kleine Umfrage zu machen. Sie lacht wieder unsicher, schaut Avram nicht an, wir dachten … Ich habe gedacht, jedem, dem wir begegnen, zwei kleine Fragen zu stellen. Avram betrachtet sie verblüfft.
Was für Fragen, möchte Ali wissen, auf seinen Wangen zeigt sich ein kleines Feuer der Begeisterung.
Ist das für eine Zeitung? fragt sein Großvater und rührt weiter indem Kaffeetöpfchen, dreht
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