Eine Frau flieht vor einer Nachricht
für ihn gedeckten Tisch sitzt. Die Nase tief in der Zeitung, ohne Kraft zu reden. Über dreißig Stunden habe er nicht geschlafen, sie hätten diese Woche mehrere Einsätze gehabt, später würde er davon erzählen. Sie stimmen ihm sofort zu. Ja, natürlich, Hauptsache, du bist zu Hause. Wir sind schier umgekommen. Mama steht schon den ganzen Morgen in der Küche und kocht für dich. Jetzt übertreibst du aber, sagt sie lachend, Papa übertreibt mal wieder, ich hab gar nicht so viel geschafft. Ein Glück, dass ich die Brownies gestern schon gebacken habe. Also wirklich, seufzt Ilan. Den ganzen Nachmittag gestern hat sie eingekauft, den Gemüseladen und die Metzgerei leergeräumt, apropos, sag mal, wie ist jetzt das Essen bei euch? Besser, wir haben einen neuen Koch, und im Speisesaal laufen keine Ratten mehr rum. Haben alle deine Kameraden diesen Schabbat freigekriegt?Komm schon, Papa, lass uns später reden, ich bin jetzt total erschossen. Alles, was du willst, nur bitte nicht erschossen.
Plötzlich ein merkwürdiges Schweigen. Ilan presst Orangen aus, Ora wärmt Fleischklopse auf, ein fremder junger Mann mit fremdem Geruch sitzt am Küchentisch. Lange Fäden binden ihn an einen Ort, den man kaum sehen kann und über den nachzudenken keiner die Kraft hat. Ilan erzählt etwas von einem Geschäft, an dem er schon zwei Jahre lang arbeitet, zwischen einem kanadischen Risikofinanzierer und zwei jungen Typen aus Beer Schewa, die eine Methode entwickeln, um das Autofahren in betrunkenem Zustand zu verhindern, alles war schon fertig und musste nur noch unterzeichnet werden, fast ganz fertig, und beim letzten Treffen, als alle die Federhalter zückten …
Die Worte dringen nicht zu ihr durch. Sie ist jetzt nicht in der Lage, ihre Rolle in diesem Stück zu übernehmen, bei dem die Schauspieler sich selbst spielen und der Text mehr oder weniger bekannt ist. Doch der Raum, in dem es aufgeführt wird, Ofers müdes, niedergeschlagenes Schweigen, macht es unmöglich, macht alles lächerlich, und zum Schluss verstummt auch Ilan.
Über der Spüle schließt sie heimlich für einen Moment die Augen, konzentriert sich, spricht ihr übliches Gebet, nicht zu einem erhabenen Gott, im Gegenteil; im Innersten heidnisch, begnügt sie sich mit kleinen Göttern, mit Erscheinungen des Alltags, kleinen Wundern. Wenn sie drei Kreuzungen hintereinander grün hat, wenn sie es schafft, die Wäsche auf der Leine vor dem Regen reinzuholen, wenn man bei der chemischen Reinigung nicht die vergessenen hundert Schekel in ihrem Jackett entdeckt, und natürlich ihre üblichen Geschäfte mit dem Schicksal: Ein Kratzer an der Stoßstange? Macht nichts! Ofer erhält dafür eine Woche Immunität; ein Patient bleibt ihr 2000 Schekel schuldig? Sei’s drum, dafür werden Ofer irgendwo zweitausend Pluspunkte gutgeschrieben.
Das Gebet hat wohl geholfen. Aus der unangenehmen Stille entspinnt sich wieder das häusliche Gemurmel. Wo ist der Rest der Zwiebel, die ich für den Salat gehackt habe? Brauchst du die? Ich wollte sie anbraten, zu den Fleischklopsen. Und viel schwarzen Pfeffer, er mag schwarzen Pfeffer, nicht wahr, Ofer? Ja, aber nicht zu viel. Unser Koch ist Marokkaner und sein Schakschuka das reine Feuer. Dann esst ihr Schakschuka ? Dreimal am Tag. Unversehens verdichten sich die Gesprächsfäden, Adam ruft an, sagt, er sei gleich zu Hause, er gehe nur noch schnell eine Zeitung und was zum Knabbern kaufen, sie sollen mit dem Essen auf ihn warten, und alle drei lächeln sich an, Adam lenkt uns mal wieder per Fernbedienung. Ilan und Ora berichten von Dingen, die sich in den Wochen von Ofers Abwesenheit zugetragen haben. Immer war er zu Hause sehr involviert gewesen, erzählt Ora Avram auf einem Weg mit Blick auf Zippori über eine große Wiese hinweg, auf der Tausende braun-orangefarbener Bärenspinnerraupen in einheitlichen Bewegungen den Kopf nach hier, den Schwanz nach dort bewegen; es sieht aus, als tanze das ganze Feld; er musste informiert sein, wenn wir ein Möbelstück anschaffen wollten, welches Haushaltsgerät gerade kaputtgegangen war, wieviel die Reparatur gekostet und ob der Handwerker gut gearbeitet hatte, und er beschwor uns, ja kein kaputtes Gerät wegzuwerfen, auch keine Ersatzteile, bis er sie begutachtet habe; am Anfang seines Wehrdienstes hat er sogar noch darum gebeten, dass wir die kleinen Reparaturen, Wackelkontakte, Wasserhähne, Abflüsse, klemmende Rollläden und natürlich die Gartenarbeit, für ihn aufhöben, wenn er ein langes
Weitere Kostenlose Bücher