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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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gegeben. Doch der bestand auf Bezahlung. Vielleicht kehrt so etwas wie Treu und Glauben wieder. Ich nehme an, daß man auch uns dieses Geld geben und unser eigenes, vielleicht bloß zum halben Wert, dafür einziehen wird.
    Jedenfalls ist die Aussicht auf Brot das erste Zeichen dafür, daß sich oben jemand um uns kümmert, daß für uns gesorgt werden soll. Ein zweites Zeichen klebt unten neben der Haustür: ein Blatt in vervielfältigter Maschinenschrift, ein Aufruf, unterzeichnet von einem Bezirksbürgermeister Dr. Soundso. Der Aufruf fordert zur Rückgabe allen aus Läden und Ämtern gestohlenen Gutes auf, Schreibmaschinen, Büromöbel, Ladenzubehör etcetera – vorerst straffrei. Erst bei späterer Entdeckung solchen Diebesgutes droht Strafe nach Kriegsrecht. Weiter heißt es, daß alle Waffen abgegeben werden müssen. Häusern, in denen Waffen gefunden werden, droht ebenfalls Kollektivstrafe. Und Häusern, in denen einem Russen etwas zustößt, droht der Tod. Ich kann es mir kaum denken, daß die Unsrigen irgendwo mit Waffen liegen und auf Russen lauern. Diese Art Männer ist mir jedenfalls in diesen Tagen nicht begegnet. Wir Deutschen sind kein Partisanenvolk. Wir brauchen Führung und Befehl. Unterwegs in der sowjetischen Eisenbahn, die einen tagelang durch das Land schaukelt, sagte einmal ein Russe zu mir: »Die deutschen Genossen erstürmen einen Bahnhof nur, wenn sie vorher gültige Bahnsteigkarten gelöst haben.« Mit anderen Worten und ohne Spott: Die meisten Deutschen haben einen Horror vor der freihändigen Ungesetzlichkeit. Zudem haben unsere Männer jetzt Angst. Der Verstand sagt ihnen, daß sie besiegt sind, daß jedes Aufzucken und Aufmucken nur Leiden schafft und nichts bessert.
    In unserem Haus sind die Männer jetzt eifrig hinter Waffen her. Wohnung für Wohnung gehen sie ab, ohne daß eine Frau sie begleitet. Überall fragen sie nach Gewehren, ergattern aber nur eine alte Knarre ohne Hahn. Zum ersten Mal seit langem hörte ich wieder deutsche Männer laut sprechen, sah sie sich energisch bewegen. Sie wirkten geradezu männlich – oder doch so wie das, was man früher mit dem Wort männlich zu bezeichnen pflegte. Jetzt müssen wir nach einem neuen, besseren Wort Ausschau halten, das auch bei schlechtem Wetter standhält.
    Mittwoch, 9. Mai 1945 – ohne Dienstagrest
    Immer gab es die Nacht nachzutragen. Nun ist nichts, aber auch gar nichts über diese Nacht auszusagen, als daß ich sie allein verbringen durfte. Zum ersten Mal allein zwischen meinen Laken seit dem 27. April. Kein Major, kein Usbek ließ sich blicken. Die Witwe war gleich wieder daseinsängstlich, sie unkte was von schwindender Butter, und daß es gut wäre, wenn der Major recht bald neue Vorräte brächte. Ich hab bloß gelacht. Der kommt wieder. Lag die Nacht wohlig ausgestreckt zwischen meinem frischgewaschenen Bettzeug, räkelte mich, schlief fest und erwachte sehr vergnügt. Wusch mich mit dem warmen Wasser, das mir die Witwe spendierte, zog saubere Sachen an, pfiff mir eins.
    So schrieb ich um neun Uhr. Jetzt ist es elf, und alles sieht anders aus.
    Von draußen rief man uns mit Kehrichtschaufeln auf die Straße. Wir schippten den Dreckhaufen an der Ecke weg, fuhren Trümmer und Pferdemist auf einem Schubkarren zum nahen Ruinengelände. Uralter Kalk und Schrott noch von den Luftangriffen her, frische Artillerie-Trümmer oben darauf, und Lappen und Büchsen und viele leere Flaschen. Ich fand zwei Bromsilber-Ansichtspostkarten, deutsches Fabrikat – und viele Daumenabdrücke auf den photographierten nackten Umarmungen. Mir fällt ein, wie ich mal in einem Moskauer Büro deutsche und amerikanische Zeitschriften einige Minuten sich selbst überließ. Nahm sie dann wieder an mich und entdeckte erst beim späteren Lesen, daß da und dort ein Stück Seite hastig herausgerissen war – Reklamen für Damen-Unterwäsche, für Hüfthalter und Büstenhalter. Solche Inserate kennen die Russen nicht. Ihre Zeitschriften sind ohne Sexappeal. Wahrscheinlich waren diese albernen Werbephotos, auf die wohl kein westlicher Mann mehr groß hinschaut, für russische Augen tollste Pornographie.
    Sinn dafür haben sie, den hat jedes Mannsbild. Aber sie kriegen sowas daheim nicht geboten. Vielleicht ein Fehler. Sie könnten dann doch mit dergleichen Idealfiguren ihre Phantasie bevölkern und würden am Ende nicht mehr auf jede Alte und Schieche losstürzen. Muß drüber nachdenken.
    Als ich gegen zehn Uhr auf einen Schluck Malzkaffee in die Wohnung

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