Eine für vier 01 - Eine für vier
Aber als sie ihr klumpiges Stück Kohle auf dem Papier ansetzte, zogen ihre Finger keine horizontale Linie. Stattdessen zeichneten sie die Konturen einer Wange. Dann einen Hals. Dann eine Augenbraue. Dann eine Kinnlade. Dann einen Anflug von dunklen Schatten am Kinn.
Ihre Hand flog nur so übers Papier. Sie zeichnete viel lockerer als sonst. Ein Haaransatz... einfach so. Ein Nasenflügel... einfach so. Ein Ohrläppchen... Sie machte die Augen zu, rief sich die genaue Form des Ohrläppchens ins Gedächtnis zurück. Ihr stockte der Atem und es war, als setzte auch ihr Herzschlag aus. Die groben Umrisse seiner Schultern führten bis zum unteren Rand des Blatts. Jetzt sein Mund. Der Mund war immer am schwersten. Sie schloss die Augen. Sein Mund...
Als sie die Augen wieder aufmachte, bildete sie sich ein, den echten Kostos unter ihrem Fenster zu sehen. Dann wurde ihr bewusst, dass der echte Kostos tatsächlich unter ihrem Fenster stand. Er schaute hoch. Sie schaute hinunter. Konnte er sie sehen? Konnte er ihr Bild sehen? O nein.
Mit einem heftigen Ruck fing ihr Herz wieder an zu schlagen. Es sauste in einem schnurgeraden Sprint drauflos. Sie dachte flüchtig darüber nach, ob das Herz der Frösche, die Winterschlaf hielten, im Sommer wohl doppelt so schnell schlug.
Mädchen, die gestern noch Freundinnen gewesen waren, wurden am Morgen zu Aasgeiern.
»Also, was war?«, wollte Ollie wissen und landete mit einem Plumps auf Bridgets Bett, noch bevor sie die Augen richtig offen hatte. Diana war gerade beim Anziehen. Aber sie kam sofort an, als sie sah, dass Bridget zumindest schon teilweise wach war. Sogar Emily und Rosie kamen anmarschiert. Mädchen, die selbst kein Risiko eingingen, liebten Mädchen, die etwas wagten, und hassten sie zugleich dafür.
Bridget setzte sich auf. Langsam kehrte die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. Im Schlaf war sie zur gestrigen Bridget zurückgekehrt. Sie sah die anderen an. Ihre Augen blickten neugierig - sogar gierig.
Bridget hatte zu viele Filme gesehen. Sie hatte sich nicht vorgestellt, dass ihre Begegnung mit Eric etwas so... Persönliches sein würde. Sie hatte gedacht, das wäre wie eine kleine Spritztour. Ein Abenteuer, mit dem man sich bei den Freundinnen großtun konnte. Sie hatte erwartet, dass sie sich stark fühlen würde. Aber am Ende war das doch nicht so. Sie fühlte sich, als hätte sie sich das Herz mit Stahlwolle gescheuert.
»Mach schon«, drängte Ollie. »Erzähl.«
»Bridget?« Das war Diana.
Heute Morgen war Bridgets Stimme tief in ihr vergraben, anstatt ihr klipp und klar auf der Zunge zu liegen. »N-Nichts«, brachte sie hervor. »Es ist nichts passiert.«
Bridget merkte, dass Ollie den Ausdruck in ihren Augen neu einschätzte: Dann war es also nicht Sex; es war Enttäuschung. In Dianas Blick lag Unsicherheit. Ihre Intuition sagte ihr etwas anderes. Aber sie war kein misstrauischer Mensch. Sie wartete, bis die anderen sich davonmachten. Dann berührte sie Bridget an der Schulter. »Alles in Ordnung mit dir, Bee?«
Ihre Freundlichkeit bewirkte, dass Bridget am liebsten geweint hätte. Sie konnte nicht darüber sprechen. Und wenn sie die Sache für sich behalten wollte, konnte sie Diana auch nicht ansehen. »Ich bin so müde«, teilte sie ihrem Schlafsack mit.
»Soll .ich dir was vom Frühstück mitbringen?«
»Nein, danke, ich komm gleich nach«, sagte Bridget.
Sie war froh, als alle weg waren. Sie rollte sich wieder zusammen und schlief ein.
Nach einer Weile kam Sherrie, um nach ihr zu sehen. »Bist du okay?«, fragte sie.
Bridget nickte, tauchte aber nicht aus ihrem Schlafsack auf.
»In ein paar Minuten spielen die Cocos und die Boneheads im Halbfinale. Willst du zusehen?«
»Ich möchte lieber schlafen«, sagte Bridget. »Ich bin müde.«
»In Ordnung.« Sherrie wandte sich zum Gehen. »Ich hab mich sowieso schon gefragt, wann dir diese Energie einmal ausgehen würde.«
Zwei Stunden später kam Diana und berichtete Bridget, dass die Cocos die Boneheads haushoch geschlagen hatten. Das Finale würde zwischen den Tacos und den Cocos stattfinden.
»Kommst du zum Mittagessen?«, fragte Diana. Sie schlug einen lockeren Tonfall an, aber ihre Augen verrieten ihre Besorgnis.
»Vielleicht nachher«, antwortete Bridget.
Diana legte den Kopf schief. »Jetzt mach schon, Bee, raus aus dem Bett. Was ist denn los mit dir?«
Bridget wusste es nicht. Sie hätte jemanden gebraucht, der es ihr erklärte. »Ich bin müde«, sagte sie. »Manchmal muss
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