Eine geheimnisvolle Lady
aneinander und musterte sie mit scharfen grünen Augen, die nicht die geringste Freude zeigten.
Den Kopf hoch erhoben, erwiderte sie seinen Blick. So kühn trat sie ihm immer gegenüber, und seltsamerweise glaubte sie, das würde er respektieren. Sicher zählte es zu den Gründen, warum er sie für diese Aufgabe gewählt hatte. Abgesehen von ihrer fatalen Sehnsucht nach Cranston Abbey.
»Was haben Sie zu berichten?«, bellte er.
Typisch für ihn – mit Höflichkeitsfloskeln verschwendete er keine Zeit. Doch wie sie beide wussten, war Zeit ein Luxus, den er nicht mehr genießen durfte.
Obwohl er ihre Neuigkeiten billigen würde, zögerte sie. Ihre Scheu war absurd. Warum sie London aufgesucht hatte, wussten sie beide. Und nach der Erfüllung ihrer Mission stand ihr das Recht auf Scham nicht zu. Trotzdem blieben die Worte in ihrer verengten Kehle stecken.
Letzten Endes forderte sie ihn heraus, statt ihren Triumph zu verkünden. Der sich gar nicht wie ein Triumph anfühlte. »Wenn Sie mich aus London hierherbestellen, wann immer es Ihrer Laune entspricht, riskieren Sie alles, Mylord.«
Seine Lippen verdünnten sich, bis sie fast verschwanden. Plötzlich stieg Angst in ihr auf, denn er war ein Teufel, ein Mephisto, in dessen Spiel sie den Faust verkörperte. Wenn er sie in seinem Drang, Cranston Abbey über das Grab hinaus zu beherrschen, vernichten sollte, würde ihn das nicht im Mindesten bekümmern. Mochte dieser Skorpion auch ein kranker Greis sein, er versprühte immer noch sein Gift.
»Wo waren Sie an diesem Nachmittag?«, zischte er. »Nachdem Sie Chelsea verlassen hatten, verlor mein Dienstbote Sie aus den Augen.«
Damit hätte sie rechnen müssen. Trotzdem hielt sie bestürzt den Atem an. »Also lassen Sie mich bewachen?«
Er blinzelte nicht einmal. Im flackernden Kerzenlicht starrte er sie mit Eidechsenaugen an. »Natürlich.«
Entschlossen richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und widerstand dem Impuls, die Lehne des kunstvoll geschnitzten Stuhls zu umklammern, der vor ihr stand. Es war ein langer Tag gewesen. Ermüdend, von viel zu heftigen Emotionen geprägt. Ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Wolle vollgestopft.
Doch sie musste dem Marquess das Recht zugestehen, zu erfahren, wo sie sich aufgehalten hatte. Mühsam und qualvoll kamen die Worte über ihre Lippen. »Ich war bei Lord Ashcroft.«
Nun erwartete sie eine gewisse Anerkennung. Stattdessen kniff der alte Mann die Augen zusammen, zitternde Anspannung erfasste seinen dürren Körper. »Wie kann ich sicher sein?«
Diana bot ihren ganzen Mut auf. Wie alle Raubtiere würde er sofort zuschlagen, wenn er eine Schwäche entdeckte. »Für Misstrauen ist es jetzt zu spät, Mylord.«
»Ich traue niemandem.« Ohne sie aus den Augen zu lassen, klopfte er auf den Schreibtisch. »Erzählen Sie mir, was geschehen ist.«
Verräterisch stieg ihr das Blut in die Wangen, und sie versteifte sich. Erwartete dieser widerwärtige alte Mann eine detaillierte Schilderung von Ashcrofts Praktiken im Bett? »Wir haben uns geliebt.«
Angeekelt stöhnte er. »Gebumst hat er Sie. Beschönigen Sie nicht, was er mit Ihnen gemacht hat. Hat er seinen Samen in Ihrem Körper hinterlassen, Mrs. Carrick?«
Gedemütigt presste sie die Lippen zusammen. Auch ein so peinliches Verhör hätte sie erwarten müssen. Schließlich würgte sie hervor: »Ja.«
»Erzählen Sie mir von ihm.«
Da kehrte ihr Kampfgeist zurück. »Er ist ein Mann«, fauchte sie, »wir haben kopuliert. Was müssen Sie sonst noch wissen?«
»Haben Sie ihn unbekleidet gesehen?«
Was für eine eigenartige Frage. Aber wenigstens wollte er nicht in allen Einzelheiten hören, wie Ashcroft sich verhalten hatte. »Ja.«
Nach einer qualvollen Minute stieß Burnley ungeduldig hervor: »Und? Reden Sie endlich, Mädchen!«
Verwirrt hob sie die Hände. Was wollte er hören? »Ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt. Jedenfalls ist er nicht missgestaltet.« Steckte diese Sorge hinter Burnleys Fragen? Die Befürchtung, ihr Kind könnte irgendeinen Defekt erben? »Zuvor habe ich nur meinen Ehemann nackt gesehen. Deshalb fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten.«
Die Stirn gefurcht, schlang er seine Hände so fest ineinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Sehr unbefriedigend. Sonst haben Sie nichts zu sagen?«
Hilflos zuckte sie die Achseln. Sein Zorn war eine Strafe Gottes, die sie nicht provozieren wollte. Insbesondere, weil sie nicht einmal wusste, womit sie sein Missfallen erregte. Sie
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