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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Theophil Gabelle und Alexander Manette.
    Aber er habe in England geheiratet, erinnerte ihn der Präsident.
    Ja, aber keine Engländerin.
    Eine Bürgerin von Frankreich?
    Ja. Von Geburt.
    Ihr Name und ihre Familie?
    »Lucie Manette, einzige Tochter des Doktors Manette, des wackeren Arztes, der hier sitzt.«
    Diese Antwort machte einen günstigen Eindruck auf die Zuhörerschaft. Jubelnde Zurufe zu Ehren des wohlbekannten wackeren Doktors erfüllten die Halle. So sehr ließ sich das Volk von einer augenblicklichen Stimmung hinreißen, daß man Tränen sah auf mehreren wilden Gesichtern, die einen Augenblick vorher den Gefangenen noch angestiert hatten, als wollten sie ihn auf die Straße hinauszerren und totschlagen.
    Diese Schritte auf seinem gefährlichen Wege hatte Charles Darnay ganz nach Doktor Manettes wiederholter Weisung ge
tan. Derselbe vorsichtige Rat diente ihm auch weiter zur Richtschnur und hatte ihm jeden Zoll seines Weges bereitet.
    Der Präsident fragte ihn, warum er eben zu einer solchen Zeit und nicht früher zurückgekehrt sei.
    Er sei fortgeblieben, lautete die einfache Antwort, weil er in Frankreich keine anderen Mittel für seinen Unterhalt hatte als diejenigen, auf die er verzichtet, während er sich in England durch Unterricht in der französischen Sprache und Literatur fortbringen konnte. Seine Rückkehr sei auf die dringende schriftliche Bitte eines französischen Bürgers erfolgt, der ihm vorstellte, daß durch seine Abwesenheit sein Leben bedroht werde. Er sei gekommen, um das Leben eines Bürgers zu retten und, was auch daraus für ihn folgen mochte, der Wahrheit Zeugnis zu geben. Ob dies die Republik für ein Verbrechen ansehe? Der Pöbel rief begeistert »Nein!«, und der Präsident rührte die Klingel, um Ruhe herzustellen. Vergeblich. Das Geschrei: »Nein, nein!« hielt an, bis die Rufer genug hatten und von selbst nachließen.
    Der Präsident fragte nach dem Namen dieses Bürgers. Der Angeklagte antwortete darauf, daß der Bürger sein erster Zeuge sei. Er bezog sich auch mit Zuversicht auf das Schreiben dieses Zeugen, das man ihm an der Barriere abgenommen und das sich ohne Zweifel unter den auf dem Gerichtstische liegenden Akten vorfinden werde.
    Der Doktor hatte dafür Sorge getragen, daß es nicht fehlte, und sich persönlich davon überzeugt. Es wurde jetzt hervorgeholt und verlesen. An den Bürger Gabelle erging die Aufforderung, sich darüber zu äußern, und er beglaubigte seinen Brief. Er deutete ferner mit ungemeiner Zartheit und Höflichkeit an, daß er im Drange der Geschäfte, die den Gerichten durch die Menge der Feinde der Republik bereitet wurden, in seinem Abteigefängnis übersehen oder vielleicht in patrioti
schem Eifer vergessen worden sei bis vor ungefähr drei Tagen; man habe ihn dann vorgeladen und auf die Erklärung der Geschworenen hin, daß die Anklage gegen ihn, soweit sie ihn selbst betreffe, durch die Gestellung des Bürgers Evrémonde, genannt Darnay, erledigt sei, in Freiheit gesetzt.
    Dann wurde Doktor Manette ins Verhör genommen. Seine große Beliebtheit beim Volke und die Klarheit seiner Antworten machten einen tiefen Eindruck; als er aber im Verlaufe zeigte, wie der Angeklagte nach seiner Befreiung aus langer Kerkerhaft sein erster Freund gewesen, wie er während seines Aufenthaltes in England sich immer treu und aufopferungsvoll gegen ihn und seine Tochter in ihrer Verbannung benommen, wie er, weit entfernt, bei der dortigen aristokratischen Regierung in Gunst zu stehen, von dieser sogar als ein Feind Englands und ein Freund der Vereinigten Staaten auf Leib und Leben verklagt worden – als er alle diese Umstände mit großer Umsicht und mit der vollen Gewalt der Wahrheit und des Ernstes ins Licht stellte, wurden Geschworene und Pöbel eines Sinnes. Und als er sich endlich noch auf Monsieur Lorry, einen anwesenden englischen Gentleman berief, der wie er selbst Zeuge jenes englischen Kriminalprozesses gewesen und seine Aussagen darüber bestätigen könne, erklärten die Geschworenen, daß sie genug gehört hätten und über ihre Abstimmung schon im reinen wären, wofern der Präsident sie anhören wolle.
    Bei jeder abgegebenen Stimme (die Geschworenen erfüllten ihre Pflicht laut und einzeln) brach der Pöbel in einen Beifallsjubel aus. Sämtliche Stimmen lauteten zugunsten des Gefangenen, und der Präsident erklärte ihn für frei.
    Dann begann eine von jenen außerordentlichen Szenen, durch die bisweilen die Menge ihren Wankelmut kundtat und ihre

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