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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Tellsons Bankhaus«, sagte er mit nachdenklichem Gesicht. »Wird es nicht gut sein, wenn ich mich in der Zwischenzeit sehen lasse? Ich denke wohl. Diese Leute müssen erfahren, daß ein Mensch wie ich hier ist; die Vorsicht gebietet es, und
es kann sogar als Vorbereitungsmaßregel nötig werden. Aber behutsam, behutsam. Ich will mir's überlegen.«
    Er hatte bereits angefangen, seine Schritte irgendeinem Ziele zuzulenken, als er wieder innehielt und in der bereits dunkel werdenden Straße auf und ab ging, um sich die möglichen Folgen klarzumachen. Doch bald befestigte sich in ihm der erste Eindruck. »Es ist das beste«, sagte er endlich entschlossen, »daß diese Leute Kunde erhalten von der Anwesenheit eines Menschen wie ich!« Dann wandte er sich Saint Antoine zu.
    Defarge hatte sich an jenem Tage selbst als Weinwirt in der Vorstadt von Saint Antoine bezeichnet. Für einen Mann, der sich so gut in der Stadt auskannte wie Carton, war es ein leichtes, das Haus ohne Nachfragen aufzufinden. Er verließ die engeren Straßen, nahm in einer Wirtschaft einige Erfrischungen ein und stärkte sich nach dem Essen durch etwas Schlaf. Zum ersten Mal seit vielen Jahren mied er starkes Getränk. Er hatte seit gestern abend nichts als ein wenig leichten Wein zu sich genommen und tags zuvor den letzten Tropfen Branntwein auf Mr. Lorrys Herd ausgegossen wie ein Mann, der damit nichts mehr zu schaffen haben will.
    Es war abends sieben Uhr, als er erfrischt wieder erwachte und aufs neue auf die Straße hinausging. Auf dem Wege nach Saint Antoine machte er vor einem Spiegelladen Halt und ordnete seine lose Halsbinde, seinen Rockkragen und sein wirres Haar. Nachdem dies geschehen war, verfügte er sich schnurstracks zu Defarge und trat in dessen Schenke.
    Es war zufällig kein anderer Gast in dem Zimmer als Jacques drei. Dieser Mensch, in dem er sogleich einen der Geschworenen des Morgens wiedererkannte, stand bei seinem Glase an dem kleinen Schenktisch und unterhielt sich mit dem Ehepaar Defarge. Die Rache mischte sich wie ein Mitglied des Haushaltes in das Gespräch.
    Carton nahm sich einen Stuhl und bestellte in schlechtem Französisch eine halbe Flasche Wein. Madame Defarge warf zuerst einen gleichgültigen, dann aber immer schärfere Blicke auf ihn und trat endlich selbst auf ihn zu, um ihn zu fragen, was ihm beliebe.
    Er wiederholte die frühere Bestellung.
    »Ein Engländer?« fragte Madame Defarge, forschend ihre dunklen Augenbrauen in die Höhe ziehend.
    Nachdem er sie angesehen, als ob selbst der Klang eines einzigen französischen Wortes ihm nicht schnell verständlich sei, antwortete er in demselben ausländischen Akzent:
    »Ja, Madame, ja. Ich bin Engländer.«
    Madame Defarge kehrte an den Schenktisch zurück, um den Wein abzumessen, während er eine Jakobinerzeitung aufnahm und sich anstellte, als suche er mit Mühe sich den Inhalt verständlich zu machen. Da hörte er sie sagen:
    »Bei meiner Seele, er sieht dem Evrémonde ähnlich!«
    Defarge brachte ihm den Wein und bot ihm einen guten Abend.
    »Wie?«
    »Guten Abend.«
    »Oh, guten Abend, Bürger!« Er füllte sein Glas. »Ah; ein guter Wein. Ich trinke auf das Wohl der Republik.«
    Defarge kehrte zum Schenktisch zurück und sagte:
    »Allerdings, ein wenig ähnlich.«
    »Ich sage dir, sehr ähnlich«, entgegnete Madame Defarge.
    »Ihr seht überall nur ihn, Madame«, bemerkte Jacques drei beschwichtigend.
    »Ja, meiner Treu«, fügte die liebenswürdige Rache lachend hinzu; »und es macht dir so viel Vergnügen, ihn morgen noch einmal zu sehen.«
    Carton folgte den Worten und Zeilen seiner Zeitung lang
sam mit dem Zeigefinger und mit einer völlig in die Lektüre vertieften Miene. Sie standen ganz nahe beieinander, die Arme auf den Schenktisch gestützt, und sprachen leise. Er ließ sich nicht dadurch stören, daß sie öfters zu ihm hinsahen; endlich fuhren sie in ihrem Gespräch etwas lauter fort.
    »Es ist ganz so, wie Madame sagt«, bemerkte Jacques drei. »Warum haltmachen? Die Sache ist mächtig im Gange. Warum haltmachen?«
    »Nun, einmal muß es doch geschehen«, stellte Defarge vor; »es fragt sich nur wann.«
    »Erst nach der Vertilgung«, sagte Madame.
    »Großartig!« krächzte Jacques drei.
    Auch die Rache zollte Beifall.
    »Vertilgung ist ein guter Grundsatz, Frau«, sagte Defarge etwas beunruhigt, »und ich habe im allgemeinen nichts dagegen einzuwenden. Aber dieser Doktor hat viel gelitten. Du hast ihn ja heute gesehen und sein Gesicht beobachtet, als

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