Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Ankleidezimmer zur Anprobe. Gewöhnlich unterhielten sie sich über die Details, die Katerina an dem Kleid angebracht hatte, und Olga erkundigte sich nach Eugenia, aber heute fühlte sich die junge Frau überrumpelt.
»Katerina, kann ich dich etwas fragen?«, begann Olga.
Die Schneiderin blickte auf. Sie kniete am Boden, um den Saum abzustecken.
»Natürlich«, antwortete sie.
»Mein Mann hat heute Morgen etwas erwähnt. Er sagte, dass du Grigoris Gourgouris heiraten würdest. Stimmt das?«
Katerina war wie vom Donner gerührt. Es traf sie genauso unvermutet und schockierend wie Gourgourisâ Antrag vor ein paar Tagen.
»Ich ⦠ich â¦. Es ist â¦Â«
»Tut mir leid«, sagte Olga schnell. »Ich habe wahrscheinlich voreilige Schlüsse gezogen. Aber Konstantinos hat gesagt, Gourgouris würde seine beste Schneiderin heiraten. Zumindest habe er das gehört. Und ich dachte sofort, dass er dich damit meint.«
Katerina konzentrierte sich angestrengt auf ihre Arbeit. Zwischen ihren Lippen steckte eine Nadel, was ihr als Vorwand diente, nicht sofort antworten zu müssen. So viele Male schon hatte sie Olga ihre Gefühle für ihren Sohn gestehen wollen, aber nie war ihr der Zeitpunkt dafür richtig erschienen. Jetzt kam er ihr unpassender vor denn je.
Pavlina hatte wie stets Tee für sie beide gebracht, denn normalerweise nähte sie den Saum gleich hier bei Olga fertig und bügelte das Kleid anschlieÃend ein letztes Mal. Gewöhnlich nahm diese Arbeit eine oder zwei Stunden in Anspruch.
»Es ist mir furchtbar peinlich«, sagte Olga zu Pavlina. »Ich hatte gehört, dass Grigoris Gourgouris seine beste Schneiderin heiraten wolle, also nahm ich an, es handle sich um Katerina!«, fügte sie lachend hinzu.
Pavlina und Katerina tauschten Blicke, bevor Letztere in Tränen ausbrach.
Olga war verwirrt. Pavlina erklärte ihr, dass Katerina zwar einen Heiratsantrag bekommen, ihn aber noch nicht angenommen habe.
»Und wirst du ihn annehmen?«, fragte Olga direkt. »Du scheinst ja nicht gerade zu jubilieren vor Freude.«
»Ich liebe ihn nicht«, sagte Katerina.
»Aber ich hab ihr gesagt, auch wenn sie im Moment nicht so empfindet, kann sich das ja noch ändern, sobald sie verheiratet ist. Viele Leute gehen ein bisschen unsicher in die Ehe«, meinte Pavlina.
»Da hat Pavlina vielleicht recht«, sagte Olga zu Katerina und sah sie freundlich an.
Katerina wusste, dass Olga ihren Mann nicht liebte. Vielleicht war ihre Ehe das Gegenteil von dem, was Pavlina erlebt hatte. Oder Olga war ganz am Anfang in Konstantinos Komninos verliebt gewesen, und diese Liebe war dann mit der Zeit erkaltet? Vielleicht gab es die dritte, die ideale Variante â sich zu verlieben und dann lebenslang in Liebe verbunden zu bleiben â überhaupt nicht. Und wie konnte sie Olga gestehen, dass sie einen Toten liebte? Und dass dieser Tote ihr Sohn war?
»Aber was soll ich Ihrer Meinung nach denn tun?«, fragte Katerina verzweifelt. »Du könntest auf die Liebe warten«, antwortete Olga traurig, »aber es besteht immer das Risiko, dass sie vielleicht nie kommt.«
Der weise Rat der drei Frauen, denen sie so sehr am Herzen lag, gab schlieÃlich den Ausschlag, und sie schickte sich ins Unvermeidliche.
Einen Monat später wurde eine kleine Hochzeitsfeier ausgerichtet. Grigoris Gourgouris schien auÃer einem Neffen keine weiteren Verwandten zu haben, und die einzigen anderen Gäste waren Eugenia, Sofia, Maria, Pavlina, zwei Mädchen aus dem Atelier, der Geschäftsführer des Ateliers in Veria und Konstantinos Komninos. Katerina hatte ihrer Mutter geschrieben und sie zur Hochzeit eingeladen. Zenia antwortete und wünschte ihr Glück, aber sie sei erst kürzlich krank gewesen und noch nicht wieder kräftig genug, um daran teilzunehmen.
Alle bewunderten das schlichte Kleid der Braut, aber Katerina wusste, dass sie weniger Liebe und Sorgfalt darauf verwendet hatte als auf hundert andere, die sie genäht hatte. Die aktuelle Mode, die gerade Linien bevorzugte, kaschierte ihre fehlenden Kurven, und mit dem Kranz aus Rosenblüten im dunklen, kurz geschnittenen Haar sah sie aus wie ein blutjunges Mädchen.
Nach der Zeremonie gab es ein Festmahl in einem Nebenraum des Hermes Palasthotels, einem Ort, an dem sich der Bräutigam und Konstantinos Komninos heimisch fühlten, aber alle übrigen Gäste
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