Eine gewagte Affaere
Joshua zog die Augenbrauen hoch und betrachtete Ryan misstrauisch. "Wann hast du dich denn diesem harmlosen Hobby verschrieben? Ich dachte, du lebst nur für den Cyberspace. Andererseits ist es vielleicht besser, die heimische Natur zu erforschen, als den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen. So kommst du wenigstens an die frische Luft."
"Für einen jungen, wachen Verstand ist alles von Interesse", bemerkte Regan, der sein herablassender Tonfa ll zuwider war.
Es wurde Zeit, dass Joshua als werdender Vater seine Einstellungen änderte. "Ein Kind sollte man dazu ermutigen, alles zu erforschen, und ihm nicht die Lust daran nehmen, etwas Neues zu lernen."
"Ich bin kein Kind!" protestierte Ryan.
"Ich habe nicht speziell von dir gesprochen. Außerdem bleibst du immer das Kind von irgendjemandem, ob du nun fünf, fünfzehn oder fünfzig bist", konterte Regan und aß einen Löffel Joghurt.
"Ja, aber ein Kind ist ein Mensch zwischen der Geburt und der Pubertät", erwiderte Ryan.
Sie erinnerte sich noch sehr genau an die ermüdende Diskussion vom Vortag.
"Im Lexikon steht, dass es sich bei Kindern um menschliche Nachkommen handelt..."
"Ja, aber das ist nicht die erste Bedeutung", unterbrach Ryan sie dickköpfig. "Wenn du nachschlägst, wirst du meine Definition vor deiner finden. Wetten?"
"Geh nicht darauf ein", riet Joshua trocken.
"Das hatte ich auch nicht vor." Regan winkte ab. "In Ordnung, Ryan, du hast gewonnen. Für ein Kind bist du viel zu langweilig und pedantisch. Man muss mindestens neunzig sein, bevor man andere Leute damit in den Wahnsinn treiben darf, so beharrlich über derartig unwichtige Kleinigkeiten zu streiten."
Sie lächelte zuckersüß. "Bei dir handelt es sich eher um einen Fall von Altersstarrsinn."
Ryan dachte einen Augenblick nach und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Der Blick kam ihr seltsam bekannt vor.
"Du hast auch weitergestritten ..."
"Ja. Weil ich Recht hatte. Aber aus Rücksicht auf dein geistiges Alter habe ich dich gewinnen lassen. Als ich ein Kind war, hat man mir beigebracht, höflich zu älteren Menschen zu sein."
Ryan lächelte schalkhaft. "Du hast mich nicht gewinnen lassen."
"Wenn du meinst, mein Lieber", sagte Regan in dem nachsichtigen, geduldigen Tonfall, den, wie sie wusste, junge und alte Männer gleichermaßen hassten.
Ryan öffnete den Mund.
"Gib es auf, mein Sohn. Frauen haben von Natur aus das letzte Wort."
"Aber Dad, du hast mir beigebracht, nie aufzugeben, wenn ich das Gefühl habe, im Recht zu sein!"
Sohn? Dad?
Regan fiel der Löffel klirrend auf den Teller. Obstsaft und Joghurt spritzten auf das zartgelbe Tischtuch.
"Er... du... Ihr seid Vater und Sohn?" fragte sie verblüfft und tupfte die Flecken mit ihrer Serviette ab, um zu verbergen, dass ihre Hände zitterten.
Sie blickte zwischen den beiden hin und her und entdeckte plötzlich die große Ähnlichkeit zwischen dem Mann und dem Jungen.
Joshua kniff die Augen zusammen, genau wie Ryan es vor wenigen Augenblicken getan hatte. Ich muss blind gewesen sein, dass ich es nicht früher bemerkt habe, dachte Regan.
"Ich dachte, ihr hättet euch unterhalten."
"Ja, aber nicht über dich!" Joshua war das einzige Thema gewesen, das sie um jeden Preis hatte vermeiden wollen.
Joshua ahnte, was vorgefallen war, und lächelte amüsiert.
"Lass mich raten ... Du wusstest nicht, wer Ryan war, weil ihr eure Nachnamen nicht genannt habt, stimmt's? Das scheint eine Angewohnheit von dir zu sein ..."
Regan ärgerte sich über die Bemerkung, während Joshua seelenruhig einen Schluck Kaffee trank.
"Ach, war es so, als du Regan zum ersten Mal begegnet bist?" fragte Hazel lächelnd, die die Unterhaltung gespannt verfolgt hatte. "Wie der Vater, so der Sohn."
Regan und Joshua warfen einander einen erschrockenen Blick zu. Beide dachten an ihre leidenschaftliche erste Bege gnung.
"Du meine Güte, ich hoffe nicht", sagte Joshua leise. Regan errötete, während Ryan aufhorchte, als er den Unterton in der Stimme seines Vaters wahrnahm. Sie suchte schnell nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
"Wo ist denn Chris heute Morgen?" fragte sie.
Eine unkluge Frage. Hazel senkte den Blick und rührte sich Zucker in den Tee, während Sir Frank aus dem Fenster blickte und eine Bemerkung über die Hitze machte.
"Er schläft noch", antwortete Joshua. "Hattest du gehofft, ihn zu sehen?"
"Nein, nein. Es fiel mir nur gerade ein." Um von ihrer Frage abzulenken, ließ Regan sich von Alice eine Lachspastete aufschwatzen,
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