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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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Tür, die wir am Ofen trockneten. So auch die Kleider von Hildegard. Ich dachte damals, der liebe Gott schickt sie uns, damit wir nicht erfrieren; Hildegard im Himmel hatte jetzt sicher ein sauberes und hübsches Hemd an. So erzählte ich es auch Papa, mit dem ich jetzt immer sprach, wenn Sterne am Himmel standen. Er war mein einziger Vertrauter, mein Beschützer. Er muss mir auch beigestanden haben, als wieder einmal mitten in der Nacht betrunkene Soldaten in unsere Hütte stürmten. Die Lampe der Männer, die hin- und herschwang, der Gestank nach kaltem Rauch und Schnaps, die Schreie der Mädchen, die sie mitnehmen wollten, meine Todesangst, das Beben meines Körpers, die Gedankenflut im Kopf und zugleich diese unfassbare Leere – nicht einmal an Papa konnte ich denken. Dann das dunkle Fluchen eines Soldaten, klatschende Hiebe und dumpfe Tritte, immer mehr, die Schreie der Mädchen, das Schlagen der Tür, ein klägliches Wimmern in der Dunkelheit.
    Zwei Strohlager waren leer. Am Boden neben dem Ofen lag Heide, rot lief ihr das Blut vom Kopf übers Gesicht und aus Mund und Nase. Zu viert hievten wir Heide auf ihr Lager, wischten ihr mit sauberem Stroh das Blut ab, doch es quoll immer neues aus den Wunden. Wir deckten Heide zu und warteten. Eva kam in meine Bettecke gekrochen, und wir hielten uns fest im Arm. So müssen wir irgendwann eingeschlafen sein.
    Als es dämmerte, erwachten wir von einem qualvollen Stöhnen und Röcheln. Heides schmales Gesicht im grauen Morgenlicht war nicht zu erkennen, die Blutkrusten und blaugrünen Flecken hatten es völlig entstellt. Wenig später hörte sie auf zu atmen.
    »Am besten, wir ziehen ihr die Sachen aus, dann werden sie im Schnee nicht nass, und wir müssen sie nicht trocknen«, sagte ich nach einer Weile. Heides Hemd zerriss ich in Stücke, die ich mir um meine Füße wickelte; so hatte ich es bei einem anderen Mädchen gesehen, feste Schuhe gab es längst nicht mehr.
    Dieser Winter raubte uns unsere letzten Kräfte. Nur selten bekamen wir etwas zu essen, meine Vorräte an getrockneten Früchten und Blättern waren aufgebraucht, nur noch das Gras lag in meinem Versteck. Doch es ließ sich auch nach langem Kauen nicht ordentlich zerkleinern, und so musste ich es wieder ausspucken. Damit konnte ich mir die Zeit vertreiben, den Magen füllte es nicht. Wie die anderen Kinder war ich bis auf die Knochen abgemagert. Nur unsere Bäuche blähten sich. Ich bat meinen Vater im Himmel um Hilfe, er solle uns etwas zu essen schicken, sonst würden wir verhungern. Jeden Tag stand ich jetzt am Fenster, während es stürmte oder schneite, und wartete, dass die Soldaten uns eine warme Mahlzeit brachten. Doch es kam höchstens eine dünne Suppe. Aber Papa würde mich nicht im Stich lassen, da war ich mir sicher.
    Und mein Vertrauen wurde belohnt. Eines Nachmittags öffnete sich das große Tor, und ein Lastwagen stoppte nicht weit entfernt von unserer Baracke. Bitte, keine Kinder, keine Kinder, dachte ich. Die sterben hier doch nur alle! Ob wieder Holz gebracht wurde? Dann sah ich, wie die Soldaten die Kinder aus den Baracken holten; sicher würden auch wir gleich hinausgescheucht in die Eiseskälte, zum Abladen des Wagens. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, denn das, was der erste Junge in seinem Arm trug, sah nicht wie ein Stück Holz aus … »Brot! Es gibt Brot!«, rief ich aufgeregt. Die anderen stürmten ans Fenster, während ich jauchzend zur Tür sprang. Los, kommt Soldaten, holt uns! Dawaj, dawaj , hätte ich am liebsten gerufen. Endlich gab uns ein Soldat das Zeichen, und wir stürmten los zu dem Lkw. Jedes Kind erhielt ein Brot, die Kleineren mussten ihre Arme aufhalten, so groß waren die Laibe.
    Zurück in der Baracke saß ich auf meinem Lager, hielt das Brot fest im Arm und sog den köstlichen Duft ein, während die Ersten sich schon große Stücke von ihren Broten abgerissen hatten und gierig verschlangen. Ich wusste, dass ich so viel Essen auf einmal nicht vertragen würde, und lutschte erst einmal nur an einer Ecke der Rinde. Als die Kruste dort aufgeweicht war, biss ich das Stück ab und schob es in meinem Mund hin und her, bis ich es schließlich kaute und hinunterschluckte. Selbst diese Miniportion lag mir wenig später wie Blei im Magen. Den anderen aber erging es noch schlechter, sie würgten eine nach der anderen und erbrachen sich. Mir wurde es speiübel, als ich zusehen musste, wie sich einige von ihnen das Erbrochene gleich wieder in den Mund

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