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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ausbreitete. »Ich hoffe, die Frau ist glücklich und gesund. Aber jetzt muss ich mich dringend um meine Wäsche kümmern…«
    »Frauenhain, du kommen«, sagte Mau.
    Daphne schüttelte den Kopf. »Nein! Damit habe ich nichts zu tun! Ich kenne mich nicht damit aus, wie… wie Kinder auf die Welt kommen!« Was nicht ganz stimmte, aber sie wünschte sich innigst, es wäre so. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie immer noch hören… nein! »Ich werde nicht kommen! Du kannst mich nicht zwingen«, sagte sie und lehnte sich zurück.
    Er griff nach ihrem Arm, ruhig, aber entschieden. »Baby. Du kommen«, sagte er mit einer Stimme, die so fest war wie sein Griff.
    »Du hast nicht den kleinen Sarg neben dem großen gesehen!«, schrie sie. »Du weißt ja nicht, wie das ist!«
    Dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Selbstverständlich wusste er es! Ich habe doch gesehen, wie er all diese Menschen im Meer bestattet hat. Er weiß es genau. Wie könnte ich ihm diese Bitte abschlagen?
    Sie atmete tief durch. Schließlich war sie nicht mehr neun Jahre alt und hockte oben auf der Treppe, wo sie horchte und schnell zur Seite sprang, als der Doktor mit seinem großen schwarzen Koffer die Stufen hinaufgestürmt kam. Aber das Schlimmste daran war – wenn man denn in einem Meer des Elends nach der höchsten Welle suchen wollte –, dass sie überhaupt nichts hatte tun können.
    »Der arme Captain Roberts hat ein medizinisches Handbuch in seiner Seekiste«, sagte sie, »und einen Kasten voller Medikamente und anderen Sachen. Ich werde sie holen.«
    Die Brüder warteten bereits vor dem Eingang zum Frauenhain, als Mau mit Daphne eintraf, und in diesem Moment änderte sich die Welt aufs Neue. Die Veränderung trat ein, als der ältere Bruder sagte: »Das ist ein Hosenmenschenmädchen!«
    »Ja. Die Welle hat sie auf die Insel gebracht«, erwiderte Mau.
    Und dann sagte der jüngere Bruder etwas, das wie die Hosenmenschensprache klang. Daphne hätte fast die Sachen fallen gelassen, die sie mitgenommen hatte, und antwortete ihm schnell in der gleichen Sprache.
    »Was hast du zu ihr gesagt?«, wollte Mau wissen. »Und was hat sie zu dir gesagt?«
    »Ich habe nur ›Hallo, schönes Fräulein‹ gesagt…«, begann der junge Mann.
    »Wen interessiert es, was irgendwer zu irgendwem gesagt hat? Sie ist eine Frau! Bringt mich endlich hinein!«
    Cahle hatte gesprochen. Die werdende Mutter stützte sich auf ihren Mann und ihren Schwager, und ihre Empörung war so groß wie ihr Bauch.
    Die Brüder blickten zum Eingang.
    »Äh…«, sagte ihr Mann.
    Ach ja, sie machen sich Sorgen um ihren Wingo, dachte Mau.
    »Ich werde ihr helfen«, sagte er schnell. »Ich bin kein Mann. Ich kann hineingehen!«
    »Hast du wirklich keine Seele?«, sagte der jüngere Bruder.
    »Ich frage auch nur, weil der Priester gemeint hat, du hättest keine…«
    Mau blickte sich suchend nach Ataba um, aber der alte Mann hatte wohl auf einmal Wichtigeres zu tun.
    »Ich weiß es nicht. Wie sieht eine Seele aus?«, entgegnete Mau. Er legte einen Arm um die Frau, während Daphne sie mit besorgter Miene von der anderen Seite stützte, dann traten sie gemeinsam in den Hain.
    »Sing dem Baby ein gutes Willkommenslied, schönes Fräulein«, rief Pilu ihnen nach. Dann sagte er zu seinem Bruder:
    »Vertraust du ihm?«
    »Er ist jung, und er hat keine Tätowierungen«, sagte Milo.
    »Aber er… wirkt älter. Aber vielleicht hat er keine Seele!«
    »Auch ich habe meine nie gesehen. Oder hast du etwa deine gesehen? Und das Hosenmenschenmädchen in Weiß… Erinnerst du dich noch an die betenden Frauen in Weiß, als wir damals geholfen haben, Bootsmann Higgs in das große Haus zu tragen, in dem Menschen gesund gemacht werden, und wie sauber sie dort seine klaffende Beinwunde zusammennähen konnten? Ich wette, das Mädchen ist wie diese Frauen. Sie weiß sicher alles über Medizin!«

6
Ein Stern wird geboren
    Daphne blätterte verzweifelt im medizinischen Handbuch, das aus dem Jahr 1770 stammte, als die Leute noch nicht richtig buchstabieren konnten. Und dieses schmuddelige Buch mit den verklebten Seiten fiel schon auseinander. Darin waren simple Holzschnitte abgedruckt, die unter anderem zeigten, »wie man ein Bein absägt« – Igittigitt! – »Wie man Knochenbrüche richtet« – Ogottogott! – und Querschnitte von… O nein! Bitte nicht!
    Der Titel lautete Medizinisches Handbuch für den Seemann, und es war für Leute gedacht, deren Medizinschrank lediglich eine Flasche

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