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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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aufkommen, daß – was immer Totò hatte – alles besprochen und geklärt war und sie eine weitere Diskussion unter keinen Umständen dulden würde. »Setz dich bitte wieder. Du kannst Kartoffeln und Salat essen.«
    »Nein, kann ich nicht. Ich habe dir gesagt, daß ich das nicht kann. Wie kann ich etwas essen, wenn ein totes Tier auf dem Tisch liegt? Davon wird mir schlecht! Das ist widerlich!« Weinend rannte er aus dem Zimmer.
    Giovanni blickte vom Vater zur Mutter, die braunen Augen spiegelten seine innere Zerrissenheit wider – einerseits vollstes Mitgefühl für seinen Bruder, andererseits einen Riesenappetit auf den Sonntagsbraten.
    Teresa legte ihm auf.
    »Reichst du mir bitte deinen Teller, Salva. Ich kann dir die Schüssel nicht geben, sie ist noch zu heiß.«
    »Natürlich. Aber willst du nicht Totò zurückholen?«
    »Nein. Wir lassen ihn besser in Ruhe. Ich bringe ihm später etwas zu essen.«
    Teresa tolerierte weder ungezogenes Verhalten noch Nörgeleien bei Tisch, doch dieses Mal klang ihre Stimme ganz ruhig, beinahe zärtlich.
    Offenbar wollte sie nicht, daß er sich einmischte. ›Sprich ihn nicht darauf an, Salva‹, hatte sie ihn in letzter Zeit des öfteren gebeten. ›Versprich’s mir.‹
    Also sagte er nichts. Giovanni beobachtete ihn, wartete auf ein Zeichen von ihm. Sie verstanden sich, hatten einen Draht zueinander. Er lächelte seinem Sohn aufmunternd zu, und dann begannen sie zu essen.
    »Hat er wenigstens noch etwas gegessen?« erkundigte er sich vorsichtig, als er später im Bett lag, und Teresa den Mückenvernichter auffüllte.
    »Ein wenig Joghurt und Müsli.«
    »Joghurt? Mein Gott, er ist mitten in der Pubertät! Die Hälfte aller Kinder hungern auf dieser Welt, und er beschwert sich, daß –«
    »Salva!«
    »Aber ich habe doch recht!«
    »Natürlich hast du recht. Aber sprich ihn bitte nicht darauf an. Du hast es versprochen.«
    »Habe ich irgend etwas gesagt?«
    »Nein.«
    »Aber ich weiß, was meine Mutter mit mir gemacht hätte.«
    »Weißt du nicht.«
    »Und ob ich das weiß! Sie hätte mir eine ordentliche Tracht Prügel verabreicht, wenn ich mich so benommen hätte.«
    »Hätte sie nicht.«
    »O doch, das hätte sie.«
    »Wie oft hat dich deine Mutter geschlagen? In deinem ganzen Leben, meine ich.«
    Er dachte einen Moment darüber nach. »Nur ein Mal«, gab er dann zu. »Aber nur, weil ich mich nie gewagt hätte –«
    »Was hattest du angestellt?«
    »Wie bitte? Ach, das habe ich vergessen.«
    »Sag schon, was hast du gemacht?«
    »Ich hab’s vergessen.«
    »Das ist doch wirklich seltsam, findest du nicht? Menschen gestehen ohne größere Probleme einen Mord, aber niemand ist in der Lage, zuzugeben, daß er ins Bett gemacht hat.«
    »Ich habe nie ins Bett gemacht.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Ich sage nur, daß es den Menschen leichterfällt, schreckliche Verbrechen zu gestehen als nichtige Peinlichkeiten.« Sie legte sich zu ihm ins Bett und schaltete die Nachttischlampe aus. »Ich schätze, es ging um irgend etwas Eßbares.«
    »Ich habe Nunziata die Schokolade gestohlen, die sie zum Geburtstag bekommen hatte, und davon gegessen«, gab er im Schutz der Dunkelheit zu.
    »Wieviel?«
    »Wieso interessiert dich das? Gestohlen ist gestohlen, oder?«
    »Wieviel?«
    Stille.
    »Die ganze Schokolade«, gestand er dann ein.
    »Das habe ich mir gedacht. Überlaß Totò ruhig mir, Salva. Der arme, kleine Kerl. Er ist verliebt.«
    »O nein! Bitte! Nicht der auch noch! Er ist doch noch ein Kind, Teresa!«
    »Er ist ein Teenager. Reg dich nicht auf.«
    »Ich rege mich nicht auf.«
    »Schsch.« Sie legte ihren Arm um seine Brust. »Sie ist in seiner Klasse und sehr hübsch. Ich habe sie gesehen.«
    »Uumpf.«
    »Ihr Vater ist Sizilianer, ihre Mutter Dänin. Sie hat wunderschöne, blonde Locken und dunkle Augen.«
    »Und bestimmt ist sie Vegetarierin.«
    »Natürlich ist sie Vegetarierin. Du hast für mich auch einmal eine Diät gemacht, erinnerst du dich?« flüsterte sie ihm leise ins Ohr und küßte ihn auf die Wange.
    Er drehte sich zu ihr um. »Für dich mache ich praktisch jeden Tag Diät«, murmelte er zärtlich in gespielt traurigem Ton.
     
    In bester Laune verflog bei Gericht der nächste Morgen, und anschließend beschloß der Maresciallo, sich seinem Problem mit Peruzzi zuzuwenden.
    Ein Paar befand sich in der Werkstatt des Schuhmachermeisters, Ausländer, keine Frage. Die beiden waren groß und kräftig, und die nackten Arme der Frau waren rot verbrannt. Sie

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