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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Zeug so klein zu schneiden. Akiko war natürlich immer blitzschnell, spazierte nie gemütlich, wenn sie flott marschieren konnte.
    Ein Mann in ihrem Leben? Aber ja, da gab es einen. Sie hatte ihn nur von oben gesehen, einmal, als die beiden nachts zusammen nach Hause gekommen waren und die Haustür aufschlossen, während sie gerade die Fensterläden schließen wollte. Na ja, bei der Straßenbeleuchtung hier – sie sagen immer, daß sie sich drum kümmern würden. Mit Sicherheit konnte sie von ihm nur sagen, daß er sehr groß war. Ja, natürlich, Akiko war wirklich klein, aber … nein, sie war sich sicher, daß er groß war. Nein, sein Alter wollte sie lieber nicht schätzen. Von hier oben, im Dunkeln und dann auch noch nur von hinten? Unmöglich. Sie konnte nur sagen, daß es ein großer Mann war. Vielleicht hatte ihn ja jemand anders gesehen und mehr erkennen können. Sie könnte sich ein wenig umhören, wenn sie morgen einkaufen ging. Akiko war immer gut gelaunt und stets zu einem Schwätzchen bereit gewesen, aber private Dinge behielt sie für sich. Beim Metzger hatten sie sie so oft aufgezogen, weil sie Portionen einkaufte, die für zwei reichten, aber sie verriet nicht viel mehr über ihn, als was sie für ihn kochte. Glaubte der Maresciallo etwa, sie hätte sich mit dem Falschen eingelassen? Nun ja, wie es aussah, mußte es ja wohl so gewesen sein, oder?
    Bevor sie zurückging, um das Wasser für die Nudeln aufzusetzen, wies sie ihn auf das Foto im Silberrahmen in dem weißen Regal hin.
    »Das ist sie mit ihrer Schwester. Die beiden gleichen sich wie ein Ei dem anderen in diesen karierten Röckchen und den weißen Blusen. Das ist ihre Schuluniform, hat sie mir erzählt. Man hätte meinen sollen, daß sie dafür etwas ›Japanischeres‹ ausgewählt hätten, finden Sie nicht auch? Ich habe ihr gesagt, daß man auf den ersten Blick sehen kann, wer von den beiden der Dickkopf ist.«
    »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, weil ich danach frage«, flüsterte sie leise, als er ihr die Tür aufhielt, »aber ich habe diesen Mann mit der Tasche gesehen, der vorhin im Polizeiauto weggebracht wurde?«
    Er war ihr ganz und gar nicht böse, auch wenn er ihr auf diese vage Frage eine ebenso vage Antwort gab. Die Normalität hatte ihn wieder.
    Als sie gegangen war, legte der Maresciallo das Foto zu den anderen Dingen, die er bereits eingesammelt hatte: ein Tagebuch, ein Adreßbuch, das am Telefon gelegen hatte, ein Ordner mit Briefen und Umschläge mit Fotos. Er warf einen kurzen Blick in einen dieser Umschläge in der Gewißheit, daß er da schon den Mann finden würde, nach dem er suchte, aber er sah nur Bilder von Schuhen, auf deren Rückseite sie sich Notizen in Japanisch gemacht hatte. In einem anderen Umschlag entdeckte er nur Aufnahmen von Florenz, deshalb verschob er die genauere Untersuchung der Umschläge auf später. In dem Moment, als er gerade die Tür von außen verschließen wollte, klingelte sein Handy.
    »Guarnaccia.«
    »Ich hoffe, ich störe nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob das wichtig ist oder nicht, aber Sie haben doch gesagt, daß ich anrufen soll, wenn mir irgend etwas einfällt.«
    Die Frau aus der Boutique.
    »Nun ja, eigentlich erinnere ich mich nicht an irgend etwas Besonderes, und entdeckt habe ich auch nichts, aber mir ist eingefallen, daß Sie vielleicht den Lagerverkauf unten in der Via Romana überprüfen sollten … weil der Pullover doch vom letzten Jahr war. Am Ende der Saison kaufen die von uns und anderen Geschäften die Restbestände und verkaufen sie zu Schnäppchenpreisen. Wenn sie dort gewesen ist, erinnern sie sich vielleicht an sie. Wer dort hingeht, stöbert gern und läßt sich leicht in ein Gespräch verwickeln. Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Ja.«
    »Ich fürchte, das ist nicht wirklich viel. Wahrscheinlich habe ich Sie wegen nichts und wieder nichts gestört.«
    »Nein, nein. Machen Sie sich bitte keine Gedanken. Es war absolut richtig, mich anzurufen. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sind Sie fertig mit den Umbauarbeiten?«
    »O bitte, reden wir nicht davon. Sie sind jetzt alle weg, aber es war reine Glückssache, daß Sie jetzt hier nicht auch noch wegen Mordes ermitteln müssen. Entschuldigung. Ich sollte darüber keine Scherze machen, wo doch die arme, junge Frau … Ich hoffe, Sie finden heraus, was passiert ist.«
    »Das werde ich.«
    Er ging nach unten auf die nasse Straße hinaus und setzte sich zielstrebig in Richtung der nahe gelegenen Via Romana in

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