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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wirklich. Kommen Sie, setzen wir uns doch. Das hier ist eigentlich mein Schreibtisch, aber sehen Sie sich das nur an. Packen Sie das Zeug einfach irgendwohin. Oh! Geben Sie mir bitte das Seidenkleid. Seit zwei Tagen suche ich schon danach. Es muß zum Kürzen zur Schneiderin. Habe ich die Maße jetzt verloren? O mein Gott, sie sind weg. Da war so ein kleiner, gelber Klebezettel.«
    »Ist es der hier?« Er löste den kleinen gelben Zettel von seinem Ärmel.
    »Ja, dem Himmel sei Dank. Jemanden wie Sie könnte ich hier gut gebrauchen. Ich glaube nicht, daß das Mädchen auch nur ein einziges Wort Italienisch spricht, nicht, daß sie irgend etwas gesagt hätte, aber …«
    Nach einer Weile kamen die Worte langsamer aus ihrem Mund, wie bei einem Aufziehspielzeug, bei dem die Federspannung nachläßt. Der Maresciallo sah, wie die Locken und die Ohrringe zu wippen aufhörten, und überlegte, wie alt die Frau wohl sein mochte. So alt wie er oder vielleicht sogar ein wenig älter, aber durch den unordentlichen Lockenkopf, ihre Taktlosigkeiten und den chaotischen Verkaufsraum mit dem heillosen Kleiderdurcheinander und dem überwältigenden Eindruck von Rüschen und Pailletten wirkte sie wie ein übermüdetes Kind, dem es niemals gelingen würde, sein Spielzeug und die Sachen zum Verkleiden wegzuräumen.
    Er gab ihr in ernsthaftestem Ton einige Ratschläge, die sie mit entsprechender Aufmerksamkeit im Geiste notierte. Er konnte förmlich sehen, wie sie ihren Stammkunden davon erzählen würde.
    »Der Maresciallo von der Pitti-Wache war hier und hat mir geraten …«
    Und danach konnte das Leben gerade so weitergehen wie bisher.
    Es stellte sich heraus, daß das japanische Mädchen Stammkunde bei ihr war. Sie hatte zwar nicht viel Geld bei ihr ausgegeben, aber sie war so hübsch und schlank, und bei Größe 34 – in einer so kleinen Größe hatte man natürlich reichlich Auswahl, gerade und insbesondere auch bei den Modellkleidern. Sie erinnerte sich an den Leinensweater, ein wirkliches schönes Teil, aber es verkaufte sich schlecht. Akiko hatte ihn aus einem Berg dunklen Zeugs herausgefischt – die meisten Leute bevorzugen helle, freundliche Farben, gerade im Sommer, wenn sie ans Meer fahren. Aber sie konnte man einfach nicht dazu überreden, sich Sachen zu kaufen, die sexy oder ansonsten irgendwie auffällig waren, obwohl sie so etwas wirklich gut hätte tragen können.
    In ihrer Größe konnte sie eine Menge Sachen der bekanntesten Designer kaufen. Valentino, Ferré und so weiter, mittwochs, auf dem Markt auf der Piazza Santo Spirito. Sie schneiden die Marken-Label einfach heraus und verhökern die Sachen dann für ein Butterbrot.
    Das klang wie Musik in den Ohren des Mare sciallo, denn damit sprach sie Peruzzi von jeglicher Lüge frei und wahrscheinlich auch von allen anderen möglichen Beschuldigungen.
    ›Ich weiß, daß sie verliebt war. Ein Baby, das wäre was anderes, das hätte den Ausschlag gegeben, nicht wahr?‹
    Vielleicht nicht von allen anderen Beschuldigungen. Besser, er vergewisserte sich.
    »Aber natürlich gab es einen Mann in ihrem Leben. Sie hat ihn nach nebenan zu Domani geführt. So hat sie unser Geschäft entdeckt und ist Stammkundin geworden.«
    »Domani?«
    »Domani. Das japanische Restaurant nebenan. Wahrscheinlich haben Sie es nicht bemerkt, weil es heute geschlossen hat. Kommen Sie morgen wieder. Dort kennt man ihren Freund. Und wenn Sie Zeit haben, schauen Sie ruhig wieder bei mir herein. Ich kann immer einen guten Rat gebrauchen. Warten Sie, ich schließe Ihnen die Tür auf. Sie haben absolut recht, ich muß die Kleiderständer in eine Reihe stellen, damit ich das andere Ende des Raumes auch von hier aus überblicken kann. Ordnung ist das halbe Leben.«
    »Genau. Und vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Nun aber ab nach Hause zu einer anständigen Mahlzeit! Am Nachmittag würde er die Sachen aus Akikos Wohnung einer genauen Untersuchung unterziehen. Er machte sich keine Sorgen mehr, spätestens in dem japanischen Restaurant würde er die Auskunft bekommen, die er so dringend brauchte. Die Scherengitter der Geschäfte waren noch immer heruntergelassen, und aus den Fenstern in den oberen Stockwerken drangen die Erkennungsmelodie der Nachrichtensendung sowie der Duft leckeren Essens. Feuchter Dampf stieg von der Straße auf. Der Maresciallo hielt sich eng an den Häusern, mied die pralle Sonne. Auf der Piazza San Feilce übergaben die Nonnen des Kindergartens ihre kleinen Schützlinge den wartenden

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