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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Ihres Onkels gewachsen ist.«
    »Oh, ich verstehe«, erwiderte Helena in eigentümlichem Ton. »Das bezieht sich auf den unglücklichen Onkel Publius?« Sie meinte den Bruder des Senators, der vor einiger Zeit eine Verschwörung zur Destabilisierung des Imperiums und dem Sturz Vespasians angezettelt hatte. Der fehlgeleitete Onkel Publius war jetzt keine Bedrohung mehr. Er hatte es hinter sich, seine Leiche verrottete in der Cloaca Maxima. Ich wusste das; schließlich hatte ich ihn selbst hineingeschubst.
    »Verstehen Sie, was ich meine?«, fragte Titus, begierig auf ihre Zustimmung.
    »Aber gewiss«, erwiderte Helena. Mit einem kühlen Drehen des Kopfes bot sie Titus Cäsar ihre Wange zum Kuss dar, was er brav tat. Bevor ich sie aufhalten konnte, beugte sie sich wie eine alte Kindheitsfreundin vor, die auch ihn küssen wollte. Stattdessen sagte sie sehr, sehr sanft: »Das war vor vier Jahren. Mein Onkel ist tot. Die Verschwörung wurde vollkommen zerschlagen, und es hat nie eine Frage bezüglich der Loyalität meines Vaters oder meines Bruders gegeben. Ich verstehe das als eine dürftige Ausrede, Cäsar!«
    Titus wandte sich wieder seiner schillernden Liebsten zu und gab vor, einen Witz daraus zu machen. »Was für ein außergewöhnliches Paar!« Berenike schien das auch zu finden, allerdings nicht aus denselben Gründen. »Ich liebe sie beide sehr«, verkündete Titus Cäsar.
    Ich griff nach Helenas Hand und klemmte sie mir fest unter den Arm, zog meine Liebste zurück und hielt sie eng an meiner Seite. Dann dankte ich Titus für sein Vertrauen in uns und führte mein trotziges Mädchen hinaus.
    Sie war völlig verstört. Das hatte ich bereits gesehen, bevor sie geantwortet hatte. Titus hatte natürlich keine Ahnung davon. Sie würde mit mir darüber sprechen, obgleich bis dahin Tage vergehen konnten. Wenn es so weit war, würde sie vor Zorn beben. Ich konnte warten. Ich hielt sie einfach nur fest im Arm, während sie ihre unmittelbare Wut in Zaum brachte.
     
    Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Da Helena in ihre eigenen Gedanken versunken war, konnte ich mich meinen überlassen. Der Druck, der jetzt auf mir lastete, war dasselbe alte tote Gewicht. Zusätzlich zu der häuslichen Tragödie, die ich den Laelii ersparen wollte, hatte meine Aufgabe eine viel weitreichendere Bedeutung bekommen. Diese neue Bürde, Berenike und Titus vor Leid zu bewahren, war knifflig. Das war also die hinreißende Königin Berenike! Wenn das meinem Bruder Festus passiert wäre, hätte ihn ein duftendes Briefchen erreicht, noch bevor er zur Tür hinaus gewesen wäre.
    Wenn Didius Festus Frauen von legendärer Schönheit besuchte, sorgte er allerdings dafür, dass er es ohne Begleitung tat.

XXXIX
     
     
    Zu Neros Zeiten hatte der gesamte Esquilin-Flügel des Goldenen Hauses aus Speisezimmern bestanden. Sie passten paarweise zusammen, die eine Hälfte mit Blick auf einen ausgedehnten Hof, die andere spiegelbildliche mit Blick über das Forum, wo Nero einen Wildpark eingerichtet hatte, der aber jetzt der Baustelle von Vespasians Amphitheater gewichen war. Bei seinem ganz andersartigen Lebensstil hatte Nero nicht nur einen eleganten Saal zur Verköstigung seiner Schmeichler gebraucht – der ausgefallenste war das berühmte achteckige Speisezimmer –, sondern komplexe drei- oder fünfteilige Suiten, um die wilden Orgien veranstalten zu können, die er so liebte. Innerhalb dieses Labyrinths waren wir von Titus empfangen worden.
    Die Flavier waren von anderem Geblüt als Nero. Die meisten offiziellen kaiserlichen Amtshandlungen nahmen sie im alten Cäsarenpalast vor, hoch oben auf dem Palatin. Man redete davon, dass sie das Goldene Haus bald abreißen wollten. Es verkörperte nicht nur den verhassten Luxus, sondern auch Neros Verachtung für die Menschen, deren Häuser er vorsätzlich abbrennen ließ und die er vertrieb, damit er den Palast bauen konnte. Die Flavier respektierten das Volk. Zumindest so lange, wie das Volk sie respektierte. Aber sie waren auch geizig. Während der prächtige, überladene Wohnsitz ihres verrückten Vorgängers noch stand, erschien es ihnen angemessen, dass Rom – in Person der geizigen Flavier – davon Gebrauch machte. Das Ding hatte eine Menge gekostet, und Vespasian war ganz heiß auf das Prinzip des geldwerten Vorteils.
    Ich war schon zu privaten Besprechungen hier gewesen und einmal zu einer offiziellen Konferenz im achteckigen Speisezimmer. Titus trieb sich in seiner Freizeit oft hier

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