Eine Katze hinter den Kulissen
Dobrynin hatte sich offensichtlich
um seinen Eintreiber gekümmert. Warum sollte er also seinen
Arbeitgeber umbringen? Um die Erpressung in Eigenregie
weiterzuführen? Ich glaubte nicht, daß Basil besonders
ehrgeizig war. Ich mußte herausfinden, wer das Opfer dieser
Erpressung war und warum Lenny ausgerechnet diese Person erpreßt
hatte. Und was diesen Namen betraf, Anna Pawlowa Smith, mußte ich
herausfinden, was er bedeutete und warum er jetzt schon wieder
auftauchte, wie ein Leitmotiv in einem schlechten Musical.
Ich schob die klebrige heiße Schokolade von mir weg, ohne sie angerührt zu haben.
»Sie sind eine schöne Frau«,
hörte ich Basil sagen. »Haben Sie früher mal Ginover
geheißen?«
Unsere Blicke trafen sich, aber ich gab ihm keine Antwort.
»Vielleicht hatten Sie ja mal mit den Rittern der Tafelrunde zu tun« sagte er, stand auf und ging.
War er wirklich so gerissen? Oder war er verrückt?
Durch die Scheibe des Cafés sah ich, wie er seinen Regenmantel mit dem Gürtel zusammenraffte und in den Wind lief.
Es befremdete mich überhaupt nicht, daß Dobrynin mit ihm befreundet gewesen war.
18
»Glaubst du wirklich, daß Basil es war?«
Tony beantwortete sich seine Frage selbst. »Der
Typ erscheint mir eher tragisch als gefährlich. Eher wie ein Opfer
denn Mörder.« Plötzlich setzte er sich gerade und
schnippte mit den Fingern. »Weißt du, er wirkt wie ein
Mann, der gerne Bühnenbilder für Aufführungen im
Gefängnis entwerfen würde.«
Ich saß im Schneidersitz auf dem Teppich in
meinem Wohnzimmer, nahe bei Bushy. Wir spielten eines unserer
Lieblingsspiele: Anstarren. Das Spiel hatte keinen besonderen Zweck.
Niemand gewann oder verlor. Es war nur ein netter Zeitvertreib. Wir
blickten einander an, schauten dann plötzlich weg, schauten uns
wieder an und dann wieder weg. Ziel des Spieles war, den anderen dabei
zu ertappen, daß er außer der Reihe guckte. Ein völlig
sinnloses Spiel. Aber ich weiß, daß Bushy versteht, wenn
ich mit ihm spiele, und darum geht es mir.
Tony fing an, hin und her zu laufen. Ich zog meine
Schuhe aus und bemerkte, daß die untere Kante meiner Jeans
ausgefranst war. Meine Damen und
Herren, in der Rolle der Lumpenpuppe präsentieren wir ihnen jetzt
Miss Alice Nestleton, die einundvierzigjährige, verkrachte
Vagabundin. Die heutige Folge trägt die Titel: »Obdachlose
auf der Flucht.«
»Worüber lächelst du,
Schwedenmädel?« Tony hatte mich beobachtet, während ich
meinen Gedanken nachhing.
»Nichts.«
»Denk lieber über den Fall nach«,
stichelte er. »Ich denke die ganze Zeit an diese alberne
Botschaft, die Basil auf diese Haus schreiben mußte. Was hat das
zu bedeuten? Und warum ausgerechnet immer auf dieses Haus? Glaubst du, daß die Frau im Auto vielleicht irgendwo in der Gegend da wohnt?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber immerhin wissen
wir jetzt, wie Dobrynin seinen Lebensstandard sicherstellte. Er hat
jemanden erpreßt.«
Tony widersprach: »Davon kannst du nicht
ausgehen. Eigentlich sieht es doch eher aus wie ein Drogengeschäft
oder wie die Bezahlung einer gestohlenen Ware. Die Aufschrift
könnte das Zeichen dafür sein, daß er das Zeug hatte,
und die geheimnisvolle Frau bezahlte die Ware.«
»Ja, aber wann und wo wurde die Ware - die
Drogen oder was auch immer - übergeben? Warum ließ Lenny das
Zeug nicht durch Basil liefern? Basil hat gesagt, er war ein Eintreiber. Er hat nicht erwähnt, daß er jemals etwas geliefert hätte.«
»Ja, da hast du recht«, pflichtete Tony mir bei.
Bushy hatte keine Lust mehr zum Anstarren und schlenderte davon.
»Soll ich dir von einem sehr komischen Zufall erzählen, Tony?«
»Solche Geschichten höre ich am liebsten.«
»Ich bin ziemlich sicher, daß 1407 Broadway auf der Fortieth Street ist.«
Er dachte eine Minute nach. »Ja, stimmt. Ich
weiß das, weil ich damals, als ich noch gespielt habe, vor meiner
Wiedergeburt als Bühnenbildner, ein- oder zweimal dagewesen bin,
als ich eine größere Summe beim Pferderennen gewonnen hatte.
Das New Yorker Wettbüro ist in diesem Gebäude.«
»Schön zu wissen«, sagte ich
spöttisch. Es war nicht sehr wahrscheinlich, daß ich
irgendwann einmal in eines dieser heruntergekommenen Wettbüros
gehen würde. »Aber der Zufall, den ich meine, ist, daß
ich glaube, daß 1407 Broadway auf dem Grundstück steht, wo
die alte Metropolitan Opera war, bevor das Lincoln Center erbaut wurde.
»Ja, und?«
»Na ja, die alte Met gilt als eine der
größten Bühnen der Welt, und
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