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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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gerade ein Naturtalent, aber er gibt sich unheimlich Mühe“, sagte ich. „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so motiviert war. Er steht sogar noch nachts in unserer Stube und übt seine Bewegungen.“
    â€žEr hätte bestimmt einen guten Kamikaze-Piloten abgegeben, aber für diesen verdammten Drill ist er einfach nicht gemacht.“
    â€žDer Drill bedeutet ihm sehr viel. Du könntest doch …“
    Ich ließ den Satz in der kühlen Luft hängen. Er wusste, was ich meinte. Wir durften Obaid nicht im Stich lassen.
    â€žEs wäre doch nur zu seinem Besten“, brummte Bannon. „Du sagst rechts, und er geht nach links. Du sagst, er soll das Gewehr werfen, und er steht wie angewurzelt da. Und das bei lauten Befehlen. Stell dir mal das Chaos in der stillen Phase vor. Wir haben heute Spiralwürfe geübt, und er hat mich jedes Mal fast am Kopf getroffen. Er wird jemanden umbringen oder sich selbst was antun. Versuch du doch mal, ihn zur Vernunft zu bringen. Aus ihm wird bestimmt ein guter Offizier, aber den Drill kann er auf keinen Fall mit uns üben. Ich muss jetzt gehen und meinen Abschlussbericht schreiben.“
    Bannon verließ den Raum, ohne sich umzudrehen, ohne etwas zu versprechen.
    Ich überlegte, ob ich herausfinden sollte, was Jassir Arafat in einer Zeitschrift voller Orientalinnen mit herzförmig rasiertem Schamhaar zu suchen hatte, als die Tür aufging. Es war Obaid. Er trat die Tür hinter sich zu, lehnte sich gegen das Bruce-Lee-Poster und starrte mich an, als wäre es allein meine Schuld, dass er seine Bewegungen nicht koordinieren konnte.
    Seine Uniform war voller Schweißflecken. Die rechte Hand hatte er mit seinem blauen Schal umwickelt, und auf seiner rechten Wange prangte ein Bluterguss. Seine für gewöhnlich heiteren Augen hatten sich in aufgewühlte Teiche des Zorns verwandelt.
    Für mich lag es auf der Hand, warum er auf dem Exerzierplatz regelmäßig Prügel bezog. Du kannst die besten Noten in Militärgeschichte einheimsen und die ganze Nacht Marschieren üben, aber sobald die stille Phase des Drills einsetzt, hilft dir kein Handbuch mehr. Obaid lernte in allen Fächern für mich mit. Er zeichnete meine Navigationskarten, und weil ich unfähig war, mich auf mehr als zwei Absätze in einem Lehrbuch zu konzentrieren, verfasste er Notizen für mich. Dennoch war mir trotz völligen Mangels an akademischer Begabung – oder vielleicht gerade deswegen – ein steiler Aufstieg in der Drill-Abteilung beschert gewesen, und ich kommandierte bereits die Staffel, während er noch immer im Reserveeinsatz war. Niemand, der sich außerhalb des Unterrichts hinsetzen und länger als zehn Minuten am Stück ein Buch lesen kann, würde je einen guten Offizier abgeben, geschweige denn, einen vernünftigen Gleichschritt auf dem Exerzierplatz zustande bringen. Bannon hatte recht: Ein falscher Schritt, ein einziger Patzer konnte die lautlose Eleganz der gesamten Choreographie zerstören, die wir für den Besuch des Präsidenten entworfen hatten. Und außerdem die Säbelübung verpfuschen, die ich eigens für ihn einstudiert hatte.
    Ich dachte, ich könnte Obaid vielleicht mit den Bildern von Arafat ablenken, aber als ich sein wutverzerrtes Gesicht sah, gab ich die Idee auf. Immer wieder ballte er die Hände zu Fäusten. In seinen Augen stand ein Zorn, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte. Ich ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er fuhr zurück und drehte sich um, bedeckte sein Gesicht mit den Händen und begann, mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen.
    â€žEs wird alles gut“, sagte ich und kam mir vor wie einer von diesen Ärzten, die den Leuten raten, ihr Leben voll auszukosten, nachdem sie ihnen eröffnet haben, sie hätten noch sechs Wochen zu leben. Einen Moment blieb er reglos stehen, dann warf er sich auf Bannons Bett und riss dabei die Bambusstöcke mit dem Baldachin zu Boden. All die Bücher, die er gelesen hatte, hatten ihm die einfachste militärische Regel nicht beigebracht: Wut bekommt man in den Griff, indem man sie an jemandem auslässt, und nicht, indem man Möbel umräumt. Er nahm ein Kissen und warf es an die Wand. Enttäuscht von der mangelhaften Wirkung griff er nach dem Keramik-Buddha. Ich sprang hinzu, um ihn davon abzuhalten. „Nicht den Buddha“, sagte ich und nahm ihm die Figur aus der Hand. Seine

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