Eine kostbare Affäre: Roman (German Edition)
beruhigen. »Oh, es war kein richtiger Kanal, es war in Klein-Venedig. Die Gegend dort ist furchtbar elegant. Ich habe eine Freundin auf einem schmalen Boot besucht.«
»Verstehe.«
Einen Moment lang glaubte sie, einen schwachen Funken von Humor wahrzunehmen, aber er war sofort wieder erloschen.
»Ich denke, dass Sie mir gegenüber ein bisschen unfair waren«, bemerkte sie freundlich. »Oh?«
»Hmhm. Sie ziehen wegen meines Aussehens voreilige Schlüsse über mich, statt herauszufinden, was ich unter meinen Kleidern wirklich für ein Mensch bin.« Eine Sekunde zu spät wurde ihr die Doppeldeutigkeit ihrer Worte bewusst. »Ich meine, obwohl ich nicht viel anhabe, weil heute so ein heißer Tag ist, bin ich ziemlich vernünftig und habe durchaus meine Talente.«
»Mir ist bewusst, dass Sie eine sehr attraktive Frau sind, Flora.« Sie musste wohl schon dafür dankbar sein, dass er nicht »Mädchen« gesagt hatte. »Aber Sie werden feststellen, dass Sie sich nicht ständig nur auf ihren Charme und Ihr Aussehen verlassen können.«
»Nein.« Flora fühlte sich fast so mies, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen.
»Ich bin davon überzeugt, dass Sie wertvolle Fähigkeiten besitzen«, fügte er hinzu, obwohl er offensichtlich selbst kein Wort davon glaubte. »Ich bezweifle lediglich, dass Sie für unser Geschäft von Belang sind. Schließlich haben Sie überhaupt keine Erfahrung.«
»Ich habe in einer Kunstgalerie gearbeitet«, begann sie. »Dort war ich zwei Jahre lang - bis vergangenen Monat. Und ich kann gut mit Menschen umgehen«, fuhr sie fort, wohl wissend, dass man so Leute beschrieb, die absolut keine anderen Begabungen hatten. »Und ich habe einmal bei einem Unternehmensberater gearbeitet.« Sie war dort Empfangsdame gewesen, und zwar eine sehr gute.
»Wie gesagt ...« So wie er sich benahm, war Flora sich nicht sicher, ob sie die Fahrt überstehen würde, ohne ihn zu ermorden. »Ich bin davon überzeugt, dass Sie ein sehr tüchtiges Mädchen sind ...«
»Eine Frau«, blaffte sie ihn an.
»Eine Frau«, korrigierte er sich nach einem schnellen Blick auf ihr Gesicht. »Aber ich glaube nicht, dass Ihre speziellen - sehr wertvollen - Fähigkeiten sich für ein alteingesessenes Familiengeschäft eignen.«
»Und inwiefern unterscheiden sich alteingesessene Familiengeschäfte von neuen? Brauchen sie keine neuen Kunden? Müssen sie keinen Profit machen? Oder haben sie nicht wie jedes andere Geschäft auf der Welt Rechnungen zu begleichen?«
Er seufzte. »Selbstverständlich haben wir unsere Ausgaben, obwohl uns das Gebäude natürlich gehört. Wir haben mehrere Angestellte, außerdem wären da die Waren, die in Schuss zu halten sind ...«
»Mit anderen Worten«, unterbrach sie ihn, »es ist wie bei jedem anderen Geschäft: Sie müssen mit Gewinn arbeiten. Arbeiten Sie mit Gewinn? Es ist mein gutes Recht, diese Frage zu stellen«, fügte sie hinzu, als er nicht sofort antwortete.
»Nein. Aber Annabelle hat einige Ideen, wie sich das ändern ließe.«
»Und die wären?«
»Das geht Sie nichts ...«
»Es geht mich sehr wohl etwas an, wie Sie wissen. Genau genommen geht es mich sogar ein klein wenig mehr an als Sie.«
Gewitterwolken sammelten sich in seinen dunklen, dichten Augenbrauen. »Ich glaube nicht, dass ich über diese Dinge reden kann, wenn Annabelle nicht dabei ist.«
»Oh? Ich hatte keine Ahnung, dass sie bereits Anteilseignerin ist«, bemerkte Flora arglos.
»Das ist sie auch nicht - sie arbeitet seit einiger Zeit im Geschäft mit, und es wäre nicht recht, wenn ich dergleichen Dinge hinter ihrem Rücken mit Ihnen besprechen würde«, erwiderte er angespannt.
»Na schön, meinetwegen. Dann etwas anderes«, fuhr sie fort, »arbeitet Geoffrey ... wie war noch sein Nachname?«
»Whiteread.«
»Oh ja. Arbeitet er schon lange für Sie?«
»So lange nun auch wieder nicht. Aber sein Vater war zu Zeiten meines Großvaters einer der Partner.«
»Und jetzt ist er es nicht mehr? Ich meine, Geoffrey hat die Anteile seines Vaters nicht geerbt?«
»Nein. Geoffreys Vater hat seine Anteile beim Kartenspielen verloren, aber als Geoffrey hierher zurückkam, hat die Familie ihm aus Freundlichkeit einen Job gegeben.«
»Und Sie werden ihn behalten, bis er in Rente geht?«
»Falls er jemals in Rente gehen sollte, würde das an ein Wunder grenzen. So, da wären wir«, erklärte er, was keineswegs ihre Frage beantwortete. Er bog in einen schmalen Pfad ein. »Wenn das Wetter umschlägt, werden Sie
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