Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
niemals andere unter meinen Privatgefühlen leiden lassen würde, und meist habe ich wohl auch danach gehandelt.«
    Er war aufgestanden und schritt langsam die wenigen Meter der Kajütenlänge ab. Herrick saß auf dem Bodenstück eines Neunpfünders, und seine Augen folgten im gelblichen Lampenschein Bolithos ruhelosen Schritten.
    »Als Cheney, meine Frau, starb…« Er brach ab und merkte erst jetzt, daß er in der Kajüte herumlief. »Aber genug davon. Sie haben das ja alles mitgemacht, haben mir die Todesnachricht überbracht – eine schwere Last für jeden Mann und erst recht für einen Freund.«
    »Ich weiß«, sagte Herrick mitfühlend.
    »Ich glaube, gerade wegen dieses Verlustes be deutet mir Adam so viel. Ich habe mir gesagt: sollte ich im Kampf fallen oder aus anderer Ursache sterben, wird Adam in den Genuß des Familienbesitzes kommen, der ihm unter etwas glücklicheren Umständen sowieso zugestanden hätte.« Hilflos hob er die Schultern. »Man denkt niemals daran, daß das Schicksal den Jüngeren nimmt und den Älteren zurückläßt, Thomas.«
    Herrick drehte das Glas in Händen und suchte nach den richtigen Worten. »Gerade deswegen will
ic
h

ja mit der Marine-Infanterie an Land gehen.« Er verstummte, denn er sah bereits die Ablehnung in Bolithos Augen.
    »Nein. Übermorgen landen wir an einer feindlichen Küste. Nicht auf irgendeinem Felsennest, nicht auf einer Insel oder einem Außenposten in Indien, sondern in Europa. Halten Sie es für richtig, daß ich unsere Leute einer solchen Gefahr aussetze, ohne selbst die Führung zu übernehmen?« Er legte Herrick die Hand auf die Schulter. »Seien Sie ehrlich, Thomas. Haben Sie nicht früher manchmal Ihren Vorgesetzten heimlich verflucht, weil Sie den Kopf hinhalten mußten, während er in Sicherheit blieb?« Er schüttelte ihn sanft.
    »
Ehrlich
,

hab ich gesagt.«
    Herrick lächelte schwach. »Ja, manchmal schon.« »Manchmal?«
    Bolitho blickte ihn mit plötzlich durchbrechender Zuneigung an.
    »Nein, oft.«
    Herrick stellte sein Glas hin. »Und Gilchrist?« »Ich brauche einen erfahrenen Seeoffizier.« Seine Stimme war jetzt hart. »Gilchrist hat Adam in dieses Boot geschickt. Vielleicht weil er trotz seiner Jugend Kampferfahrung hatte. Vielleicht aber auch aus einem anderen, weniger integren Grund.«
    Herrick blickte zu Boden. »Das kann ich nur schwer glauben, Sir.« Dann sah er ihn an, entschlossener als je, seit das Schiff Gibraltar verlassen hatte. »Aber wenn ich herausbekomme, daß das stimmt, dann wird Gilchrist es zu fühlen kriegen.« Herricks Augen waren wie die eines Fremden. »Und er wird mir dafür bezahlen.«
    Bolitho lächelte ernst. »Langsam, Thomas. Vielleicht war ich voreilig.« Er ging zur Tür und hörte, wie draußen der Posten stehende Soldat die Hacken zusammennahm. »Wir wollen uns jetzt lieber auf die allernächste Zeit konzentrieren. Sonst werden wir
alle
dafür bezahlen müssen.«
    Allday strich sich das Haar aus den Augen und krächzte: »Sieht aus, als wären wir da.« Seine Lippen waren so trocken vor Durst, daß er die Worte kaum herausbrachte; die Sonne brannte ihm so gnadenlos auf Kopf und Schultern wie schon zwei Tage vorher.
    Pascoe nickte und taumelte gegen ihn. Hinter ihnen schwankten fünf keuchende Matrosen wie Betrunkene, starrten verständnislos auf den Kamm der niedrigen Hügel, den harten, glitzernden Horizont dahinter: Da war wieder die See.
    Der Gewaltmarsch war ein Alptraum gewesen, und während die Reiter ostentativ nach Lust und Laune tranken, hatten sie dafür gesorgt, daß die Gefangenen so gut wie nichts bekamen. Als zwei alte Bauersfrauen am Straßenrand ihnen Wasser geben wollten, waren die Reiter drohend auf sie zugaloppiert, hatten sie verjagt und gelacht, als die eine wie ein Bündel Lumpen in den Staub fiel.
    Einen hatten sie unterwegs verloren, einen Matrosen namens Stokes. Als die Reiter zur Nacht das Lager aufschlugen, hatte er den Blick nicht von dem dicken Fellsack voll herbem Rotwein reißen können, der unter den Soldaten herumging. Der fast verdurstete Mann mit den blutigen, schmerzenden Füßen war ein Bild des Jammers.
    Nach einer gemurmelten Unterhaltung hatte ihn einer der Soldaten herangewinkt und ihn zum Erstaunen und Neid der anderen Gefangenen den Weinsack angeboten und ihn grinsend durch Gesten aufgefordert, so viel zu trinken wie er wolle.
    Als sie endlich gemerkt hatten, was geschah, war es schon zu spät. Stokes trank und trank, Gesicht und Brust trieften von

Weitere Kostenlose Bücher