Eine Liebe auf Korfu
Ihre Tante und Benedict unterhielten sich beim Brunnen, und so dirigierte sie den Grafen zur anderen Seite des Klostergartens hinter den dicken Stamm eines Baumes.
„Oh, meine teure Alessa, ich fühle mich geschmeichelt …“, säuselte er.
„Dazu haben Sie wahrlich keinen Grund!“, herrschte sie ihn an. „Wie konnten Sie dem Earl einreden, ich würde seine Avancen willkommen heißen?“
„Nun, ich dachte, Sie würden sich zu ihm hingezogen fühlen. Vielleicht habe ich das Ausmaß Ihrer Leidenschaft falsch eingeschätzt. Aber ich werde ihm sofort erklären, ich hätte einen falschen Eindruck gewonnen …“
„Nichts dergleichen werden Sie tun! Ich habe dem Earl bereits mitgeteilt, dass mir sein Interesse missfällt. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich nicht mehr einmischen würden.“
„Keine Bange, meine Liebe, ich werde mich nie wieder zu diesem Thema äußern.“ Ehe sie es verhindern konnte, ergriff er ihre Hand und presste sie an seine Lippen. „Ich bin ihr ergebener Sklave.“
Hinter ihnen erklang ein leiser Schrei. Irritiert drehte Alessa sich um, ihre Finger immer noch in Zagredes Hand. Die drei jungen Damen hatten die Kirche verlassen und starrten sie an – Frances und Maria leicht schockiert, aber sichtlich entzückt, Helena zutiefst gekränkt. Zu allem Überfluss schauten auch noch Lady Blackstone und Benedict herüber.
Hastig ließ Alessa die Hand des Grafen los, trat zurück und stieg prompt Lady Trevick auf die Zehen.
Ihre Ladyschaft lächelte sanft, hängte sich bei ihr ein und führte sie zur Gartenmauer. „Sagen Sie mir doch, meine liebe Alexandra – was für ein faszinierendes Gebäude ist das da drüben?“ Mit gesenkter Stimme fügte sie hinzu: „Machen Sie sich nichts draus, meine Liebe, der Graf ist ein unverbesserlicher Schürzenjäger. Und Sie sind sicher zu unerfahren, um solche Annäherungsversuche zu erwarten oder zu unterbinden.“
„Tut mir leid, Lady Trevick, Ihre Töchter und meine Cousine haben gesehen …“
„Hoffentlich wurde ihnen eine heilsame Lektion erteilt, und sie sind in Zukunft etwas vorsichtiger, ehe sie den Gentlemen vertrauen. Machen Sie sich keine Vorwürfe, Alexandra. Sicher haben Sie den Grafen nicht ermutigt.“
„Natürlich nicht. Vielen Dank, Ma’am. Aber – meine Tante schaut mich so entrüstet an.“
„Ich werde mit ihr reden“, entschied Ihre Ladyschaft. „Da Frances noch so jung und naiv ist, übertreibt ihre Mama das Bestreben, sie zu schützen.“ Betont gelassen schlen derte sie mit Alessa zu Lady Blackstone und Benedict. „So ein Schurke!“, seufzte sie lächelnd. „Zagredes Kühnheit hat die arme Alexandra völlig verwirrt. Vielleicht sollte ich einmal mit ihm flirten, das müsste ihn eines Besseren be lehren.“
Welch ein raffinierter Scherz, dachte Alessa bewundernd, damit zieht sie die Situation ins Lächerliche.
Zu ihrem Leidwesen wirkte Benedict kein bisschen belustigt. „Wie konnten Sie sich so unklug verhalten, Ms. Meredith!“, tadelte er.
„Was habe ich denn verbrochen?“, verteidigte sie sich. „Ich unterhielt mich in der Nähe mehrerer Personen – und zweier Anstandsdamen – mit einem Gast des Lord High Commissioners. Warum war das unklug?“
„Einem notorischen Schürzenjäger wie Zagrede darf man nicht vertrauen. Ich hätte gute Lust, ihn zum Duell zu fordern.“
„Weil er an einem öffentlichen Ort meine Hand geküsst hat? Wäre er an einem einsamen Strand zudringlich geworden oder hätte er mich in ein leeres Zimmer gezerrt – nun, dann müsste man ihn tatsächlich maßregeln.“
„Sie haben keinen Widerstand geleistet, Ms. Meredith!“, stieß Benedict wütend hervor.
„Wie ich gestehen muss, sind mir die Zärtlichkeiten des Grafen nicht unangenehm, solange sie in dezentem Rahmen bleiben und nicht in einer Umgebung stattfinden, wo er seine Grenzen vielleicht überschreiten würde.“ Alessa lächelte honigsüß und wanderte zu den drei jungen Damen, die unter dem Keuschheitsbaum saßen und den Eindruck zu erwecken suchten, das skandalöse Ereignis würde sie nicht im Mindesten interessieren. „Was für ein unmöglicher Mann! Zweifellos wird er uns alle mit seinen Tricks belästigen – nur um zu sehen, ob er uns eifersüchtig machen kann.“
Leise schluchzte Helena auf, und ihre Schwester zischte: „Habe ich’s dir nicht gesagt? Da Alexandra weiß, was du für ihn empfindest, würde sie ihn gewiss nicht ermuntern. Und du solltest endlich erkennen, was von ihm zu halten ist –
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