Eine Liebe auf Korfu
brauchen, um es in Stellung zu bringen. Jetzt werden wir den erstbesten italienischen Hafen ansteuern. Gib mir das Tau, geh unter Deck und suche ein paar Seekarten. Bevor die Dunkelheit hereinbricht, möchte ich die Gesellschaft von Freunden genießen.“
Nachdem Benedict die zusammengerollten Karten auf ei nem Lukendeckel ausgebreitet hatte, überlegte er, wo sich die Ghost befinden mochte. Seit er das letzte Mal Land ge sehen hatte, war er zu lange als Gefangener unter Deck gewesen.
„In welche Richtung sollen wir uns wenden?“, fragte Alessa.
Mittlerweile war das beschädigte Handelsschiff im Dunst verschwunden, und er hatte seine gesamte „Besatzung“ um sich versammelt, den Doktor ausgenommen, der Lady Blackstone in ihrer Kabine abgelöst hatte und die Gefangenen bewachte. Müde saßen sie auf den Lukendeckeln und fächelten sich mit ermatteten Händen Kühlung zu.
„Wir nehmen diesen Kurs“, erwiderte Benedict und streckte einen Zeigefinger aus.
„Oh, Sie sind so klug, Sir!“, rief Frances. „Wie Sie das herausgefunden haben, ist mir rätselhaft.“
Alessa umfasste seine Hand und führte ihn außer Hör weite. „Wahrscheinlich hast du keine Ahnung, wo wir sind. Du hoffst einfach nur, wir würden Italien ansteuern.“
„Genau.“ Lächelnd schaute er sie an. In seiner Brust entstand ein Aufruhr überwältigender Gefühle. Maßlose Erleichterung, Glück. Und Liebe. Es drängte ihn, Alessa zu umarmen und zu küssen und ihr seine ernsthaften Absichten zu erklären.
Doch das wagte er noch nicht. Gewiss war es besser zu warten, bis sie zurück in Korfu waren, bis sie die Kinder wiedersehen würde und sich nicht mehr um die beiden sorgen müsse. Erst dann würde sie ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken.
„Offenbar kannst du sehr gut segeln“, meinte sie, an den Großmast gelehnt, „und du hast nicht nur auf kleinen Booten Erfahrungen gesammelt.“
Unter den formlosen Männerkleidern zeichnete sich ihre Figur verlockend ab. Das Hemd, am Kragen aufgeknöpft, entblößte ihren schlanken Hals, die Füße waren nackt. Und das üppige seidige Haar, von einem Kopftuch im Piratenstil verborgen, wartete nur darauf, auf die schönen Schultern zu fallen. Ihr Lächeln erschien ihm wie eine zärtliche Liebkosung.
„Ja, ich besitze eine Jolle“, antwortete er. „Nicht so groß wie diese Schaluppe. Aber ich konnte mir einige Kenntnisse aneignen.“
„Warum hast mir das verschwiegen?“ Forschend schaute sie ihm ins Gesicht, dann lachte sie leise. „Oh, ich weiß es! Du wolltest es verheimlichen, falls sich herausstellen würde, dass du nichts vom Segeln verstehst. Wie komisch die Männer sind …“ Kreischend rannte sie davon, als er mit gespielter Empörung nach ihr griff. Er folgte ihr zu den anderen, und sie verschanzte sich hinter einer verwirrten Frances.
„Lord Blakeney!“, mahnte Lady Blackstone würdevoll, während sie übermütig um das Mädchen herumrannten. Sofort hielten sie inne und senkten verlegen die Köpfe. „Nähert sich da drüben ein Schiff?“
Neben den Karten lag ein Fernrohr. Benedict hob es auf und spähte hindurch. „Ja, ein großes … Ich glaube, wir haben Glück.“ Aufgeregt eilte er zur Reling. „Eine Kriegsfregatte unter britischer Flagge!“ Freudestrahlend drehte er sich um und befahl dem Piraten am Ruder, das Schiff anzusteuern. „Gott sei Dank, wir haben es geschafft!“
Und da sank Lady Blackstone kraftlos auf den nächstbesten Lukendeckel und brach in Tränen aus.
22. KAPITEL
„Und das war fast am schlimmsten“, seufzte Alessa. Die Arme um ihre Knie geschlungen, saß sie auf der alten Bank und versuchte Kate ihre Gefühle zu erklären.
„Weil Lady Blackstone immer so kühl und gefasst ist? Ja, ich kann mir vorstellen, dass du verwirrt warst, als sie in Tränen ausbrach.“ Wie üblich hatte die Freundin ihren gefährlichen Lieblingsplatz gewählt und kauerte auf der zerbröckelnden Balustrade am Rand des flachen Dachs. Die Kinder – voller Angst, Alessa könnte wieder verschwinden – wollten sie nicht aus den Augen lassen und spielten in der Nähe mit dem neuen Kätzchen, einem Geschenk, das Dora von den Nonnen erhalten hatte.
„Dann begannen auch Frances, die so tüchtig und tapfer war, und die Zofe zu schluchzen. Als die Argos längsseits an der Ghost anlegte, wurde die Besatzung mit drei weinenden Frauen konfrontiert. Benedict sah wie ein Pirat aus, am Ruder stand ein echter Pirat, und ich trug Männerkleider. Nur der Doktor machte
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